Da muss ich nun mal einhaken...
Gewicht hat noch nie die Kreativität beflügelt, höchstens bei Sumo - Ringern.
Erheblichen Einfluss aber haben Festbrennweiten auf die Kreativität sehr wohl und das ist auch gut so, wie das folgende Beispiel verdeutlichen mag.
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Eine Tradition hier im Norden Deutschlands sind die "Ringreit-Turniere". Bei diesen geht es darum, einen auf einem Seil gespannten Ring vom Reiter eines Pferdes, der mit einer Lanze "bewaffnet" ist, in vollem Galopp zu treffen und abzuhängen. Gelingt dies, bringt es die entsprechenden Punkte bei den Punktrichtern. Wem dies - in mehreren Durchgängen am häufigsten gelingt - ist Sieger des Wettbewerbs.
Eine recht simple, wenngleich auch für den/die Reiter eine nicht ganz einfache Aufgabe in vollem Galopp einen kleinen Ring zu treffen, da ständig die Lanze den Pferdebewegungen angepasst werden muss, um das Ziel - den Ring - auch zu treffen.
Da ich gelegentlich auf solchen Veranstaltungen fotografiere und diese Veranstaltungen natürlich auch in der örtlichen Presse Erwähnung finden, toben da öfters auch Pressefotografen herum auf der Suche nach ihrem Veröffentlichungsbild.
Mit mehreren schweren Nikon High-End Kameras bewaffnet, war dann so ein Pressefotograf zugegen und baute sich neben mir auf mit seinem Gerödel, um ebenfalls zu fotografieren.
80-200mm Zoom Objektiv, Serienbild - "Dauerfeuer"... schon fast "kriegsähnliche Zustände" zumindest von der Geräuschkulisse her. Wechsel auf die zweite Kamera, wieder 10 Bilder pro Sekunde... Spiegelgeklapper ohne Ende, nervtötend.
Das ging eine ganze Weile so, bis ich dann irgendwann - völlig genervt, mich an ihn wandte und fragte, was dass denn solle und ob es nicht anders bei ihm ginge?
Mitleidige Blicke zu einem "unwissenden" und ja nur mit einer Kamera und einer Festbrennweite fotografierenden Amateur... ein kurzer Spruch, sinngemäß "das verstehst Du vielleicht irgendwann schon" und verschwand dann wieder. Gottseidank !
(was mich als ehemaligem Pressefotograf ob seines Spruches mit ziemlich offenem Mund zurück ließ)
Nun bei diesem Beispiel zum Punkt der Kreativität.
Im Glauben, Zoomobjektive und Serienbildfunktion seiner Kamera werden schon für das "gute Bild sorgen", hatte jede Form der Auseinandersetzung mit dem, worum es beim Ringreiten überhaupt geht und was der "bildwichtige Moment" bei diesem Turnier ist, verloren und geopfert zugunsten seiner Ausrüstungsgläubigkeit aus Zoom und AF.
Beim Ringreiten geht es um genau solche Szenen von den Reitern... Ring getroffen oder nicht und dabei möglichst die Dramatik des Augenblicks für den Reiter zu zeigen.
Den späteren Sieger des Turniers einzufangen...
Hierbei verdichtet sich eigentlich das Wesentliche... Pferd, Reiter und der zu treffende Ring.
IMG_5740.jpg
IMG_5784.jpg
ringreiten1.jpg
Worauf will ich damit hinaus?
Während ich mit meinem einen Objektiv vor der Kamera manuell vorfokussiert habe und eigentlich nur noch punktgenau den Auslöser - in diesem Moment wo Lanze, Reiter und Ring im Schärfebereich sind - betätigen musste, hatte der Pressefotograf mit seinen ratternden Nikon - Boliden den Reitweg in der Bahn von Start bis Auslauf von Pferd und Reiter im Dauerfeuer durchlaufen lassen (hätte eigentlich auch gleich einen Film drehen können).
Natürlich kann ich seinen Wunsch, das "richtige Bild" im Kasten zu haben, durchaus nachvollziehen, aber dieses Beispiel zeigt, wie wichtige Punkte in der Fotografie durch Zoom und Autofokus förmlich "kastriert" werden... nämlich sich einen Ablauf vorzustellen, zu wissen, worauf sich eine Szene verdichten wird und man sich als Fotograf allein durch vernünftige Brennweitenwahl, überlegte Vorfokussierung und einige andere Aspekte vorbereiten kann.
Gerade dieses Beispiel zeigt, dass der Pressefotograf nicht mehr in der Lage war, genau diese Überlegungen anzustellen, sondern im blinden Vertrauen auf Massen an produzierten Fotos und einem Autofokus zu hoffen, dass "das Verkaufsfoto" nun dabei sein wird, statt sich genau zu überlegen, wie er am Geschicktesten den dramaturgischen Höhepunkt verdichtet.
Insofern sehe ich da schon sowohl bei der bewußten Wahl einer Festbrennweite in Verbindung mit dem eigenen Vorstellungsvermögen in der Situation sehr wohl einen erheblich kreativeren Prozess, als blind ein Zoomobjektiv und eine Kamera mit hoher Serienbildfunktion im Dauerfeuer die Dinge erledigen zu lassen, die man mit ein wenig Überlegung und zielgerichtetem Handeln ebenso treffsicher (wenn nicht sicherer) in den Kasten bringen kann.
Soviel zum Thema "Schnell-Schießer" aus Deinem Statement.
Als Fazit kann ich nur sagen, dass die Nutzung von Einzelbrennweiten und Einzelauslösungen zumindest eines bewahrt, nämlich fotografische Techniken noch zu kennen und für seine fotografischen Arbeiten zielgerichtet zu nutzen, als sinnlos "draufzuhalten", das eigentlich wichtige aber - wie in diesem Falle nicht verstanden zu haben und der schieren Masse an Bildern einen Vorrang gegenüber bildgestalterischen Vorüberlegungen einzuräumen.
Insofern ist das arbeiten mit manuellen Objektiven und Festbrennweiten schon ein Prozess, der unbedingt die eigene Kreativität und das Vorstellungsvermögen schult, weil es eben auch dazu zwingt, sich mit den Gegebenheiten und Eigenheiten einer Sache viel näher auseinanderzusetzen, sich Lösungen zu überlegen, statt nur "draufzuhalten".
Just my 2 Cent aus meiner langen Erfahrungswelt.