Dieses Thema ist wirklich der Zombie in der Altglasszene: Immer wenn man denkt, jetzt ist es endgültig tot, kriecht es wieder aus dem Grab.
Die ganzen Diskussionen um alpha-, beta- und gamma-Strahler sind meines Erachtens müßig. Natürlich setzt die Thorium-Zerfallsreihe nicht nur alpha-Strahlung frei auch wenn Thorium 232 zunächst einmal nur dem alpha-Zerfall unterliegt. Trotzdem ist die alpha-Strahlung physiologisch (!) betrachtet die entscheidende Strahlungsart bei diesem Isotop. Sie dominiert den physiologischen Effekt auch wenn physikalisch gesehen die anderen Strahlungsarten genauso relevant sind. Daher ist Thorium primär bei Inhalation oder sonstiger Aufnahme in den Körper gefährlich und nur sekundär und bei sehr hohen Mengen durch kontaktlose Exposition.
Insofern weist das Argument, dass schon minimale Abstände und Abdeckungen ausreichen, um den physiologischen Effekt zu minimieren, durchaus in die richtige Richtung. Daran ändern auch Messungen mit Geigerzählern o.ä. nichts, da die Dosisleistung ohne Information über die Strahlungsart keinerlei Rückschlüsse auf die gesundheitlichen Gefahren erlaubt.
Eine kleine Beispielrechnung möchte ich aber gerne aufmachen, um das "Problem" etwas klarer zu umreißen:
Wenn ich Äpfel mit Äpfeln vergleichen will, muss ich mich auf ein und dasselbe Radionuklid und seine komplette Zerfallsreihe beschränken. Das ist im Fall der radioaktiven Linsen zweifelsfrei Thorium 232. Wie groß ist nun die Aktivität von Thorium in einem Objektiv im Vergleich zu anderen Materialien des Alltags?
- Thoriumhaltige Gläser enthalten in der Regel um die 10% Thorium (s. diverse Patente)
- Die thoriumhaltigen Gläser sind in der Regel im hinteren Teil des Objektivs verbaut (Quelle: Eigene Beobachtungen, Internet). Eine solche Linse wiegt bei einem KB-Objektiv um die 20 Gramm (Quelle: Eigene Beobachtungen)
- D.h. wir reden über ca. 2 g Thorium in einem Objektiv
- Thorium hat eine spezifische Aktivität von ca. 4 Mio Bq/kg (Quelle: Karlsruher Nuklidkarte)
- D.h. die Thorium-Aktivität eines Objektivs liegt in der Größenordnung von 8000 Bq
- Natürliche Gesteine und daraus gewonnene Baumaterialien haben in Deutschland eine Thoriumaktivität im Bereich von 10-100 bq/kg (Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz)
- Wenn ich bei einem Einfamilienhaus von ca. 20 To mineralischen Baumaterialien ausgehe (sehr sparsam geschätzt) und von einer mittleren Thoriumaktivität von 50 Bq/kg komme ich auf 1.000.000 Bq Thoriumaktivität des Hauses, in dem ich mich aufhalte.
Die alpha- und beta-Strahlung, die aus der Linse kommt kann ich sicher vernachlässigen wegen der Abschirmung und für die gamma-Strahlung ist auch eine Betonwand kein nennenswertes Hindernis. Die gamma-Strahlung, die mein Haus allein aus dem Thorium-Zerfall freisetzt ist also mehr als hundertmal so hoch wie die aus einem Objektiv. Und da habe ich die Uran-Zerfallsreihe in den natürlichen Baumaterialien noch nicht berücksichtigt, die wesentlich bedeutsamer ist.
Selbstverständlich ist das eine ganz grobe Rechnung und ich möchte jetzt nicht über Kleinigkeiten daran diskutieren müssen. Es geht mir nur darum, das Thema in einen halbwegs realistischen Kontext zu stellen.