Gestern ließ ich mich von einem MD 35-70/3.5 zur Tat verführen.
Es stand ziemlich unansehnlich und krank auf meinem Tisch.
Eigentlich wollte ich nur Objektiv-Beifänge durchsehen und den Schraubendreher in der Kiste lassen.
Aber es war voll Schmutz, Zoom- und Blendenring ließen sich nur schwer bzw. gar nicht bewegen, am hinteren Ring fehlte eine Schraube und auf einer der hinteren Linsen sah ich eine Trübung.
Ohne lange zu überlegen machte ich mich ans Werk.
Und - entgegen meiner Gewohnheit - verzichtete ich diesmal auf geordnetes Vorgehen und Dokumentation.
Ohne Repair Manual, Video oder Reparaturanleitung im Web ließ ich mir selbst freien Lauf.
Die Übung war, frei an die Sache heranzugehen und auf meine Fähigkeit zu vertrauen, die Reparatur - und insbesondere den Zusammenbau - auch ohne Hilfen zu schaffen. Und dabei möglichst wenig nachzudenken.
Drei Schrauben gelöst - die vierte fehlte - und der Blendenmechanismus lag zum Teil frei.
Hier greift ein Mitnehmer ein, der die Blende schließt.
Und dieser Mitnehmer war nicht am Platz.
Das war rasch geklärt.
Beim Montieren des hinteren Ringes muss der Mitnehmer nur in die Aussparung geführt werden.
Blendenproblem behoben!
Weiter ging es zur getrübten Linse.
Die Einheit mit zwei Linsen ließ sich einfach abschrauben.
Mit dem Stellschlüssel löste ich die Verschraubung der Einheit:
Die Oberseite der Linse , vorübergehend gekennzeichnet mit einem wasserlöslichen Stift.
Damit soll der seitenrichtige Einbau gesichert werden.
Allerdings muss das dann bei jedem Ausbau - bis alles passt, kommen da schon einige Vorgänge zusammen - wiederholt werden:
Bei genauer Betrachtung der Linse entdeckte ich nicht nur Beschlag, sondern auch feine Fungusverästelungen.
Mit Aceton konnte ich beides entfernen:
Die Einheit wieder montiert:
Optische Reinigung erledigt!
Weiter zur Blockade des Zoomrings.
Ich betrachtete das Objektiv und drehte dabei am Zoomring, um den Mechanismus zu verstehen.
Die Ursache für die Blockade zeigte sich rasch.
Hier lag eine Schraube in einer Führung, die dort sicher nicht hingehörte:
Ein Katz-und-Mausspiel begann.
Als ich die Schraube in der Führung einmal im Kreis gejagt hatte, gewann meine magnetisierte Sonde und die Schraube lag am Tisch.
Dabei entfernte ich einigen Schmutz.
Und es war auch weiter im Inneren jede Menge Dreck.
Ich schraubte munter darauf los und lernte weitere Elemente des Zooms kennen.
Und hupps, eine zweite Schraube fiel auf den Tisch!
Wo die beiden wohl herkommen?
Fleißig machte ich weiter sauber, innen und außen.
Beim Zusammenbau stellte ich fest, dass der Zoomring wieder frei drehte.
Auch die Schnecke im Tubus war noch in guter Schmierung.
Blockade gelöst!
Beim Jagen der Schraube entdeckte ich auch eine winzige Kugel, die ebenfalls in der Führung lag.
Ich überlegte, woher die wohl stammen mochte.
Die Kugel ist für das Einrasten des Blendenringes zuständig.
Sie liegt in einer Aussparung und wird mit einer Feder gegen Rillen am Objektivring gedrückt.
Dorthin brachte ich sie wieder.
Zuvor fettete ich die Stelle etwas, damit der Blendenring schön satt einrastet.
Und nun begann die Prüfung.
“Plick“ machte es irgendwo in der Küche.
Die Kugel war dahin.
Eine Suche mit Lampe und Stabmagnet am Boden blieb erfolglos.
Nach einigen erfolglosen Versuchen, Ersatz zu organisieren aus der Ersatzteilelade, schaffte ich es, die Kugel aus dem unlängst zerlegten MD 35-135 zu transplantieren.
Dass ich im Verlauf der nächsten Stunden noch einige Male unter den Tisch musste, möchte ich vergessen ;-)
Nun sah ich mir noch an, warum der hintere Ring des Objektivs nur mit drei statt vier Schrauben montiert war.
Hier ist die Antwort.
In einer der Bohrungen steckte eine abgebrochene Schraube:
Die Idee, zur Geisterstunde den Dremel mit einem Bohrer zu bestücken und die Schraube auszubohren, verwarf ich.
Das war auch nicht notwendig, denn aus einem anderen 35-70 beyond repair organisierte ich Ersatz.
Mit dem Tausch des Ringes bekam das Objektiv auch eine neue Seriennummer:
Schraubenquartett wieder komplett!
Und die beiden verwaisten Schrauben fanden auch wieder heim.
Sie wohnen auf der Innenseite eines der hinteren Objektivringe.
Wie die sich dort lösen konnten - ich will es gar nicht wissen.
Und ich verstand jetzt endlich, wozu diese seltsame Ablagestelle mit Magnet in meiner Arbeitsmatte gut ist.
Eine Leimfalle für die winzigen Kugeln:
Bis das Zoom wieder so montiert war, dass alles funktionierte, vergingen einige Stunden.
Auch lernte ich, dass mein Teilespender zwar dasselbe Modell, aber nicht in allem baugleich ist.
Bis ich das verstand, vergingen zwei weitere Stunden, bis ich erkannte, dass ich versuchte, ein nicht passendes Teil zu verbauen …
Und irgendwo in der Küche liegen noch drei verschossene Ersatzkugeln
Hier das nun saubere und wieder einwandfreie funktionierende MD-Standardzoom mit neuer Identität, sprich Seriennummer:
Es hat mich sehr gefreut und diesmal sehr viel Zeit gekostet.
Aber wir haben viel gesehen und noch mehr erlebt