Ich finde solche Test grundsätzlich auch immer interessant, wenn auch aus einem bestimmten Grund, der mit dem rein technischen Vergleich nicht viel zu tun hat. Ähnliche Vergleiche kamen schon mit den ersten vollautomatischen Kompaktkameras auf, die gegen professionelles Equipment in Stellung gebracht wurde. Das ganze gab es dann (und gibt es bis heute) im Bereich der digitalen Fotografie. Tatsächlich sind die Unterschiede z.B. zwischen einer kompakten Sony RX-100-Reihe und der A7-Reihe marginal, vergleicht man lediglich die Ergebnisse.
Die Frage ist aber - und das ist ein ziemlich großes Fass, mit dem ich mich auch gerade kunsttheoretisch intensiv auseinandersetze - wer und was ist in welchem Umfang für diese Ergebnisse verantwortlich, die da am Ende verglichen werden? Ich will an dieser Stelle keinen dialektischen Essay schreiben, der liegt hier immer noch in der Entwurfsphase, aber grundsätzlich geht es um einen unterschiedlichen Akt des Fotografierens. Es geht also um Entscheidungsfreiheit, Kontrolle und auch um den Umgang mit Fehlern im Akt des Fotografierens. Der Siegeszug der Smartphones ging bspw. nicht einher mit einem Siegeszug theoretischer Kenntnisse zur Fotografie. Das Gegenteil ist der Fall. Der Hauptgrund dafür sind Automatikfunktionen, die in den digitalen Alleskönnern "KI" genannt wird. Ich habe das noch nicht genau geprüft, aber mir wurde gesagt, dass bei Google 1.000 Mitarbeiter nur für die Softwareentwicklung tätig sind. Im Vergleich: Leica hatte 2018 insgesamt 1.800 Mitarbeiter.
Was das für das Selbstverständnis des fotografischen Aktes und des Fotografen als "Schöpfer" eines fotografischen Artefakts zu tun hat, habe ich vor einiger Zeit am Rande in einem Blogbeitrag eines Museums für moderne Kunst thematisiert, ich habe mal den Textteil kopiert, in dem es um Fotografie und Smartphones geht:
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Der Urheber als Cyborg
Technisch sind Smartphones schon seit Jahren in der Lage, Fotos in einer Qualität herzustellen, die wenige Jahre zuvor hochwertigen Digitalkameras vorbehalten waren. Mittlerweile wird es den Anwendern nahezu unmöglich gemacht, selbst bei totaler Abwesenheit von fotografischen Grundkenntnissen ein technisch unbrauchbares Foto zu schießen. Dieser Ausschluss menschlicher Fehlertoleranz lässt zumindest die These zu, dass nicht der Fotograf, sondern in erster Linie das Smartphone die gesamte Kontrolle über den fotografischen Prozess übernommen hat. Könnten demnach nicht eher das Team aus Kameraentwicklern und Programmierern eine geistige – urheberrechtlich relevante – Schöpfung des Werkes für sich in Anspruch nehmen als jeder menschliche Anwender? Noch beschränkt sich die Funktion der automatischen Gesichtserkennung auf die Hervorhebung für die optimale Porträtausgabe. Könnte zukünftig diese Funktion nicht auch malerische, erhabene und schöne Motive hervorheben, ja sogar automatisch den Auslöser aktivieren, sobald man sein Smartphone nur in der Waagerechten bewegt?
Die Kernfrage lautet also: Wer oder was ist hier der Urheber? Nutzer, die ihren Smartphones derart die Kontrolle über den gesamten fotografischen Prozess von der Motivauswahl bis zum fertigen Bild anvertrauen, könnte man schon heute eher als eine evolutionäre Frühform von Cyborgs bezeichnen, deren Kamera nur noch nicht im Körper implementiert ist. Diese Anwender haben nicht mehr viel mit den Fotografen zu tun, die unter den Möglichkeiten an Brennweiten, Blendenstufen und ISO-Werten eine subjektive Auswahl treffen. Die im Liberalismus fest verankerte Idealvorstellung des freien Willens von freien Individuen wird nun auf die perfekten, fehlerlosen Algorithmen der Smartphone-Kameras übertragen. Das Selbstverständnis der festgelegten Prozesse und ihren Einfluss auf die ursprüngliche Idee der Urheberschaft wird nicht hinterfragt, obwohl kein Fotograf in der Lage wäre, die Ergebnisse der Smartphone-Software mit manueller Fototechnik zu reproduzieren. Umgekehrt würde ein nur am Smartphone geschulter Instagram-Fotograf nicht in der Lage sein, die Entscheidungen des manuell arbeitenden Fotografen auch nur ansatzweise nachzuvollziehen oder gar zu reproduzieren. Ein Beleg dieser These bietet die Instagram-Sammlung „InstaRepeat“, in der identische Motive der Nutzer gezeigt werden. Die Zuordnung von Werken zu bestimmten Smartphone-Generationen eines Herstellers dürfte weitaus einfacher sein als eine Zuordnung zu den menschlichen Individuen, die diese Fotos geschossen haben.
Schon heute werden übrigens Designer, unabhängig vom konzeptuellen und gestalterischen Aufwand ihrer kreativen Tätigkeit, nicht mehr als Urheber anerkannt. Sie gelten vielmehr nur noch als Anwender. So sah es jedenfalls das OLG Hamm in seinem Urteil vom 24.08.2004 (ger. Az.: – 4 U 51/04) zu einem Plagiatsvorwurf bezüglich einer Webseite: „Die von § 72 Urheberrechtsgesetz geforderte Bildeinrichtung fehlt bei programmierten Grafiken. Denn das Computerprogramm bringt die Grafik selbständig hervor. Der schöpferische Akt liegt in der Programmierung und nicht in der Bildherstellung. Schutzgegenstand kann bei solchen Computergrafiken daher nur das Programm selbst sein, das das entsprechende Computerbild hervorbringt […] Beim Lichtbilderschutz … ist es aber die eigenständige Bildeinrichtung durch den Lichtbildner, die schutzbegründend wirkt. Daran fehlt es, weil das Computerbild eben unmittelbar durch das zugrundeliegende Programm hervorgebracht wird, ohne eigenes selbständiges Zutun dessen, der den Computer bedient.“
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Grüße
Nils