Ich lese das durchaus so, dass hier die Position der Street-Fotografie deutlich gestärkt wird, auch wenn es
"nur" um Auszüge aus der Begründung des BVerfG sind, warum sie die Klage des Fotografen ablehnen.
Das ist doch nicht wirklich etwas Neues. Die Kunstfreiheit kommt doch mit vielen anderen gesetzlichen Regelungen in Konflikt und dann muss immer eine Abwägung der Güter stattfinden. Dabei wird selbstverständlich zwischen einem Künstler unterschieden, dessen Werke regelmäßig ausgestellt oder aufgeführt werden, und einem Hobby-Fotografen, der wie Millionen anderer im Internet seine Bilder zeigt.
Andy Warhol konnte Campbells Suppendosen ausstellen, ohne ein Verfahren wegen Markenrechtsverletzung zu riskieren. Ich dürfte das nicht.
Bei "Freiheit der Kunst" geht es ja auch gar nicht primär um die individuelle Freiheit jedes einzelnen Künstlers sondern eher um einen gesellschaftlichen Aspekt, um die Bedeutung der Kunst für unsere Gesellschaft und unsere Kultur. Und wenn der Beitrag dazu gering ist, dann ist auch der Spielraum für die Verletzung anderer Rechte gering. Wenn ein Gericht den Beitrag zur Kultur als groß ansieht, wird es toleranter gegenüber dem Künstler sein und andere Rechte dagegen zurückstellen. Und woran sollte sich ein Gericht bei dieser Abwägung orientieren wenn nicht an der Resonanz, die ein Künstler in der Öffentlichkeit hat, also an der Art und Anzahl seiner Ausstellungen, Aufführungen etc.? Und da hat unsereins halt nichts vorzuweisen, auch wenn wir noch so künstlerische Gedanken hatten beim Drücken auf den Auslöser.
Ich persönlich finde diesen Bereich eigentlich relativ einleuchtend und auch vernünftig geregelt - und das passiert mir in unserem Rechtssystem eher selten...![]()
Hallo Helge,
wenn ich die Gerichtsentscheidung nicht falsch verstanden haben, dann hat das Verfassungsgericht der Frau klar die Persönlichkeitsrechte am eigenen Bild abgesprochen in der Begründung.
Allerdings wurde nach Ansicht des Kammergericht entschieden dass das Bild innerhalb der Ausstellung an einer besonders exponierten Stelle gezeigt wurde - und das wurde untersagt. Jetzt kann man wahrscheinlich für alle Zeiten darüber streiten was eine besonders exponierten Stelle ist. Das finde ich im Rahmen einer Kunstausstellung sehr problematisch.
Aus meiner Sicht hat das Verfassungsgericht richtig entschieden und das Kammergericht - sagen wir mal nicht wirklich nachvollziehbar (aus meiner Sicht blödsinnig).
Gruß Gerd
Es geht um die mögliche Verletzung der Persönlichkeitsrechte und da finde ich es schon nicht unerheblich, ob ein Bild in einer Galerie mit 200 Besuchern hängt oder riesengroß an einer belebten Straße mit zigtausend Betrachtern. Zumindest mir ginge es so wenn ich die abgebildete Person wäre. Aber dazu kann man selbstverständlich unterschiedliche Meinungen haben.
Das verstehe ich und es würde mir genauso gehen (ich bin da ganz bei Dir). Vor allen Dingen je nach wie mein Konterfei abgelichtet wurde.
Aber was ich Blödsinnig finde - und das meine ich auch so - das Kammergericht hatte bestimmt keine Daten wie viel Leute das gesehen haben, wie ist die Frequentierung an der Stelle usw... usw... . Jetzt muss man wissen das vor Gericht freie Beweiswürdigung herrscht. D.H. der Richter kann frei entscheiden ob er harte Fakten fordert oder einfach auf Hörensagen/Vermutungen entscheidet. Selbst harte Fakten darf er ignorieren und trotzdem auf Hörensagen/Vermutungen entscheiden. Wenn es ein Landgericht war (wie in diesem Fall) was diese Entscheidung getroffen hat, dann ist es schon die zweite Instanz. D.h. Du kannst noch nicht mal in Berufung gehen. Die nächste Instanz ist das Bundes Verwaltungsgericht. Das prüft nicht das Urteil ansich, sondern nur ob Verfahrensfehler gemacht wurden. Das Bundes Verwaltungsgericht hat das Verfahren zurückgegeben/abgelehnt mit der Begründung das die Frau in diesem Fall keine Persönlichkeitsrechte hat. Es hat die angeblich exponierte Darstellung der Frau nicht im geringsten erwähnt und das war auch nicht seine Aufgabe.
Was einem dann noch bleibt ist Verfassungsbeschwerde einzulegen. Aber wer wirft freiwillig sehr viel gutes Geld schlechten hinterher?
Ich bin kein Jurist und kann die Dinge völlig falsch wiedergegeben haben, aber für mich ist die generelle Entscheidung fragwürdig. Ich hoffe Du kannst meinen Standpunkt jetzt vielleicht etwas besser nachvollziehen.
Gruß Gerd
So genau kenne ich den Vorgang nicht, dass ich beurteilen könnte, welche Informationen das Gericht hatte und ob der Richter sein Urteil auf Basis von Fakten oder auf Basis von Spekulationen und Vermutungen gefällt hat. Ich entnehme Deiner Argumentation, dass Du das auch nicht weißt. Insofern erübrigen sich m.E. weitere Spekulationen. Aber Dein Punkt ist rübergekommen.
So, um die den Meinungsaustausch ein bisschen zu befeuern, stelle ich mal hier eines meiner "Street-Schnappis" vom letzten Jahr hier rein, welches ich auch letztes Jahr im Netz hochgeladen hatte.
Dieses Bild ist in nach meinem Rechtsverständnis einwandfrei und auch "moralisch" kein Problem, mal abgesehen davon das 10 Personen im Bild enthalten sind und keiner "isoliert abgeschossen" wurde...
Frühere juristische Beurteilungen von solchen Fotos hatten schon klargestellt, dass bei solchen Aufnahmen nichts zu beanstanden ist hinsichtlich von Persönlichkeitsrechten(aufgrund der Anzahl von Personen im Bild etc...). Das neue Urteil ist m.M.n. schon eine eindeutige Klarstellung und Stärkung dieser Form der Fotografie. Street-Fotografie wird immer kontrovers beurteilt und gesehen werden und nicht jeden gefallen, ob Betroffener oder nicht. Für mich ist das Bild eine unverfälschte Alltagssituation, ohne jemanden bloßzustellen. Ich selber mache auch nur Fotos im öffentlichen Raum und schieße keine die z.B. per Hausordnung untersagt sind oder die auf einen Balkon oder Privatgrundstück hinein reichen würden, da dieses nicht durch die sog. Panoramafreiheit gedeckt ist.
Geändert von kilgore72 (13.04.2018 um 09:03 Uhr)
"Klar war die Ausrüstung teuer und ich mache keine besseren Bilder dadurch...aber ich habe jetzt mehr Spaß an meinen schlechten Bildern... " (Heiko Kanzler)