Vielleicht ist es genau diese Strategie, die Schneider-Kreuznach den Hals gerettet hat, als fast die gesamte deutsche Fotoindustrie innerhalb eines Jahrzehnts im Nirwana versank. Man darf ja nicht vergessen, dass Schneider-Kreuznach neben Leitz und Zeiss einer der wenigen Überlebenen ist. Ich habe von Henry zum Spielen auch ein paar miniwinzigkleine Objektive an der VNEX gehabt, die früher mal an den zahllosen Sucherkameras hingen. Feine Teile, die die damaligen frühen Konkurrenten aus Japan garantiert alt aussehen lassen.
Wichtige Faktoren als Grundvoraussetzung für den Erfolg in so einem globalierten Markt sind neben dem Wettbewerb hohe Stückzahlen und ständige Modellpflege. Ralf hat ja beschrieben, das Schneider-Kreuznach genau entgegengestzt agiert. Wir sind es mittlerweile gewohnt, dass nicht mehr alle drei Jahre eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird, weil das früher als Umsatzgarant auch vollkommen ausreichte. Möglichst jedes Jahr sollte es schon eine ganze Schweineherde sein. Um da mitzumischen, muss ein Unternehmen heutzutage ein erhebliches Risiko eingehen. Die Automobilbranche der letzten 20 Jahre hat gezeigt, unter welchem Druck die Unternehmen dann stehen.
Als Produzent eines "Periperie"-Angebots müsste - um mal das Beispiel Digitar zu bringen - Schneider-Kreuznach für möglichst viele Bajonettanschlüsse produzieren. Selbst wenn das ohne Qualitätseinbußen möglich wäre: welche Stückzahlen wären da notwendig und in wie weit würde sich das Unternehmen bzgl. Marketing und Verkaufsdruck externen Regeln beugen müssen? Und dann ist noch nicht einmal die Frage beantwortet, ob der Name Schneider-Kreuznach ausreichen würde, um im hart umkämpften DSLR-Wettbewerb gegen etablierte Marken wie Zeiss oder Leitz bestehen könnte, von Canon oder Nikon mit ihren Profilinien mal ganz abgesehen.
Die Rumschrauber- und Adaptiererei ist ja nichts anderes als der erfolgreiche Versuch, den globalen Markt selbst mit kleinsten Mitteln auszuhebeln, ähnlich den kleinen Reparaturwerkstätten, die vermeintlich kaputte iPhones oder Drucker wieder in Stand setzen und sich der "geplante Obsoleszenz" einfach widersetzen.
Anders gesagt: mit dem Preis, den ich für das VNEX bezahlen muss - selbst wenn ich es nur für das Digitar nutzen würde - könnte Schneider-Kreuznach niemals an den Markt gehen. Es würde erheblich teurer werden, da neben den Anforderungen an den Profimarkt alle Entwicklungskosten, Produktdesign und Marketing umgelegt werden müssten. Damit sind wir beim Grundverständnis der freien Marktwirtschaft, zu der kaum jemand der Frage stellt, ob Wachstum tatsächlich der einzige Weg des Überlebens ist.
Ich glaube deshalb, ganz so verkehrt ist es nicht, wie Schneider-Kreuznach am Markt agiert.
Grüße
Nils