Liebe Altglas-Freunde,
heute möchte ich Euch das Tessar 2.8/80 von Carl Zeiss Jena in M42 Ausführung vorstellen. Laut Zeittafel der DDR-Objektive von Heinz Schrauf aus Solingen wurde es nur im Jahr 1951 hergestellt.
Berechnet wurde das Objektiv von Prof. Harry Zöllner. Nachfolger ist das Biometar 2.8/80, das laut Tabelle von Herrn Schrauf ab 1951 gefertigt wurde.
Technische Daten:
- Blende 2.8 bis 16
- Brennweite 80 mm
- 4 Elemente in 3 Gruppen
- Minimaler Fokussierabstand: 1,0 m
- 16 Blendenlammellen
- Vergütete Linsen
- Vorwahlblende
Das vorgestellte Exemplar habe ich über e…y USA erworben. Äußerlich in sehr guter Erhaltung und so gut wie keinen Abnutzungen am Gehäuse, wurde es offenbar nur wenig benutzt. Die Mechanik befand sich aber in beklagenswertem Zustand: Fokussierung und Blenden waren völlig verharzt und bewegten sich keinen einzigen Millimeter.
Dank Meister Olbrich aus Görlitz wurde das Objektiv tadellos in Stand gesetzt und sowohl Blenden als die Fokussierung laufen wieder seidenweich, es macht Freude damit zu fotografieren.
Durch den Görlitz vorhandenen Kollimator hat man übrigens die sehr seltene Gelegenheit, dass die Objektive mittels optischen Lichtstrahls auf das Genaueste zentriert werden können, so dass ein Objektiv nach der Reparatur seine optimale Leistung erreicht.
Laut Mitteilung von Herrn Olbrich wurde das gezeigte Tessar 1953 im Saalfelder Werk von CZJ gefertigt und die innere Mechanik besteht aus hochwertiger Bauweise in Messing.
Das Baujahr 1953 steht allerdings im Widerspruch zur Tabelle von Siegfried Schrauf.
Vielleicht hat ja unser Carl Zeiss Jena Experte BINO noch eine Information, in welchen Baujahren das Tessar 80 als M42 tatsächlich gefertigt wurde? Ich wäre ihm für einen Hinweis sehr dankbar.
Das von mir gezeigte Exemplar hat die Objektivnummer 3820141.
Das Objektiv dürfte nur in sehr geringen Stückzahlen produziert worden sein, bei e...y taucht nur ganz selten ein Exemplar auf, zur Zeit der Erstellung dieses Beitrages ist gar kein Exemplar verfügbar, auch nicht international.
Nun zu meinen praktischen Erfahrungen, getestet zuerst an der Sony A7 II:
- Tessar typisch verfügt die Linse über eine sehr gute Schärfe, besonders im Zentrum. Das Tessar bestätigt seinen Ruf als „Adlerauge“.
Sony A7 II, F5.6
Sony A7 II, F4.0
Sony A7 II, F5.6
Sony A7 II, F5.6
Sony A7 II, F8.0
- An den Rändern sind Schwächen zu erkennen. Besonders bei Offenblende 2.8 ist Unschärfe und mitunter ein leichtes Flimmern vorhanden. Abblenden bewirkt jedoch eine deutliche Besserung. Ab Blende 5.6 ist alles im „grünen Bereich“.
Sony A7 II, F2.8
Sony A7 II, F8.0
- Durch die 16 Blendenlammellen werden Lichter sehr angenehm kreisrund abgebildet. Damals wurde bei der Zahl der Lamellen nicht gespart, würde ich mir für heute wieder wünschen…..
- Chromatische Aberrationen treten kaum auf.
- Die Linsen sind vergütet, Farben werden Carl Zeiss Jena-typisch kräftig und kontrastreich abgebildet.
Sony A7 II, F4.0
Sony A7 II, F4.0 mit Zwischenring
- Eine Gegenlichtblende sollte verwendet werden, die Linse reagiert auf Streulicht recht empfindlich.
- Der Abstand vom hinteren Linsenelement bis zum M42 Gewinde beträgt mindestens 25 mm. Es ist also enorm viel Platz vorhanden, so dass es keine Probleme mit einem anschlagenden Spiegel an einer Canon 5d M I bis IV geben dürfte.
Da wir bei 80 mm gern von einer Portraitlinse reden, nun endlich ein Portrait, unser Wauwi musste herhalten. Die Tierschützer mögen mir verzeihen.![]()
Sony A7 II, F4.0
Wie schlägt sich das Objektiv am Crop?
Erfahrungen mit der Olympus OM-D M5 II mit Micro Four Thirds und Cropfaktor 2,0:
Zunächst ein Überraschungseffekt. Gemeinhin denkt man ja, dass sich MFT mit 2-fachem Crop für das Freistellen schlecht eignet. Bei ausreichendem Abstand zum Hintergrund funktioniert dies jedoch erstaunlich gut und erzeugt ein wunderbar cremiges Bokeh:
Olympus M5 II, F4.0
Liegt der Abstand vom fokussierten Objekt zum Hintergrund recht gering, erzeugt das Objektiv bei Offenblende einen sehr interessanten Swirly Look:
Olympus M5 II, F2.8
Olympus M5 II, F2.8
- Durch den 2 fachen Crop werden die Schwächen des Tesar 80 an den Rändern „weggeschnitten“.
- Der Schärfe-Unterschied zwischen Blende 2.8 und 5.6 vom Zentrum gegenüber den Rändern ist nur noch wenig spürbar, im Gegensatz zum Vollformat an der A7.
- Die Linse eignet sich sehr gut am Crop und wird zu einem erwachsenen Tele mit immerhin160 mm Brennweite. Durch den internen Bildstabi der M5 fotografiert es sich sehr komfortabel mit dem Tessar 80.
Olympus M5 II, F2.8
Olympus M5 II, F5.6
Mein Fazit:
Auch wenn das Tessar 2.8/80 mm mit fast 70 Jahren ein Oldie ist, kann das Altglas auch heute noch überzeugen und ist eine Empfehlung wert. Kräftige Farben, hoher Kontrast und eine sehr gute Schärfe machen das Objektiv gut brauchbar.
Durch das 42 mm-Schraubgewinde ist es vielseitig adaptierbar.
Vor allem aber: Es verfügt es über diesen besonderen, in Worten nur schwer beschreibbaren „old school look“, dem ich als Altglasfan einfach verfallen bin...
Sony A7 II, F5.6
Beste Grüße
Andreas
(patzeld)