Hi Jock-L,
klar verstehen wir uns...
Es gibt den eng gefassten Begriff des Portraits, in dem es um das menschliche Antlitz geht. Also um Kopf oder Brustportraits.. das sind die 85mm Brennweiten bezogen auf das klassische 24x36mm Kleinbild-Filmformat.
Der erweiterte Begriff umfasst dann den Menschen in seinem Umfeld, abhängig vom Aufnahmeabstand.
Bilder eines indischen Gewürzhändlers hinter seinen Auslagen mit den unterschiedlichen Gewürzen sind ebenso ein Portrait, weil es ihn in seinem Umfeld zeigt/diese miteinbezieht. Hier kommen dann (wieder auf KB bezogen) Brennweiten von 28-35mm in engen Gassen eines Basar auch zum Einsatz für diesen erweiterten Portraitbegriff. Hier hilft der von Dir genannte Abstand zum Motiv und das einbeziehen von Zusatzinformationen im Bild zu einem gelungenen Portrait im erweiterten Definitionsbereich.
Insofern ist es dann aber nicht die Frage, ob ich mit einem 85er weiter laufen muss etc.. sondern die Frage der Objektivwahl in dieser oder jener Situation.
Die 85er Brennweiten haben sich im "klassischen" Sinne entwickelt, weil sie gerade für Halbportraits in angemessener Entfernung vor dem jeweiligen Modell als realistischste Brennweite, auch in Bezug auf die Freistellung und Abbildungsleistung herausgestellt haben. Sie schaffen für diese Portraitdefinition einfach den schönsten Eindruck, wenn es nur um den abgebildeten Menschen geht.
Auch dies kann mit dem Zoom gut nachvollzogen werden, wenn man mal darauf achtet, mit welchen Brennweiten man die meisten Halbportraits in seiner Sammlung hat. Es wird dabei sicherlich herauskommen, das dieser genannte Bereich auch bei der Nutzung des Zooms dominiert.
Es ist halt der Erfahrungsschatz von Generationen von Fotografen, der in die Entwicklung dieser Brennweite eingeflossen ist.
Leica hat zum erscheinen seiner Leicaflex damals genau 4 Objektive angeboten. Das waren das Elmarit 35mm als Reportage Weitwinkel, das Summicron 50mm als Normalobjektiv, das Elmarit 90mm und das Elmarit 135mm.
Dabei war das 90er die ausgewiesene Portraitbrennweite für die Darstellung von Menschen als Einzelpersonen. Das 135er war ebenso dafür gedacht, allerdings für größere Entfernungen. Das 35er wurde genau für Reportagen, die Menschen in ihrem Umfeld zeigen, genutzt.
Eigentlich ist das alles auch heute noch so. Nur durch die Vielzahl neuer Brennweiten und Gläser gerät das leider aus dem Fokus des Fotografen.
Aber ein Blick auf die eigenen Bilder, die man (Exifs sei dank) auch mal daraufhin abklappern kann, verrät schon diese "REgel"..
LG
Henry