Hallo Gerd,
emotional "ansprechende" Bilder zu wählen, waren der Entscheidungshintergrund bei mir. Sie sollen beim Betrachter etwas auslösen, da er einerseits in Ihnen eigene Situationen wieder erkennen kann, oder emotionale Reize auslösen.
Hiermit war nicht gemeint, alleinig den eigenen emotionalen Bezug zu dokumentieren. Dann hätte es so, wie Heiko es treffend formulierte, auch ein Bild vom emotional berührenden Autocrash sein können, der nach meiner Ansicht dann eher in das Familienalbum unter der Rubrik "Shit happens all the time" gehört hätte.
Nach meiner bescheidenen Ansicht geht es in einem Bild immer darum, wie es den Betrachter anspricht, welche Gefühle es auslöst oder etwas besonderes zeigt, das sonst dem Auge und den Sinnen nicht ohne weiteres zugänglich ist.
Im Extremfall, dem Akt - Genre, ist es ganz klar. Hier werden die "Instinkte" des Betrachters, mehr oder minder gut gemacht, angesprochen. Es gilt der alte Grundsatz... "Sex sells". Dort wird die emotionale Ansprechung bei einem gut gemachten Foto, das "Erotik" und nicht pornografische Darstellung ist, überdeutlich.
Dieses "Spiel" mit den Emotionen des Betrachters gehört für mich unbedingt zu einem guten Foto dazu. Es soll emotional etwas portieren, dokumentarisch Tolles zeigen, Sinne zum Verweilen auffordern oder schlicht witziges zeigen und damit einen weiteren, wichtigen Reflex beim Menschen auslösen.. nämlich den Lachmuskel anzuspannen
Fotografische Bilder haben so viele gute Möglichkeiten, wenn sie den Betrachter "mitnehmen", ihm etwas zeigen, seine Sinne, Gefühle berühren.
Dies geschieht in vielen Genres.. Der Makro Bereich ist ein gutes Beispiel für den Wissensdrang, sich die Welt des "Kleinen" anzusehen, was mit bloßem Auge nicht gelingen kann. Ebenso die weit entfernten Tele Motive..
Hier liegt das Augenmerk auf "Sichtbarmachung" und berührt das Interesse, den Drang des Menschen, Dinge zu erforschen und kann in seinem dokumentarischen Charakter oft keine Emotionen und Reize im Betrachter auslösen, aber fesseln aufgrund des Einblickes in eine "ferne" oder "nahe" Welt.
Sich diese Erkenntnis bewußt und zu eigen zu machen und in seine eigenen Bilder einfließen zu lassen, ist für mich wichtiger, als die Frage welche Kamera oder technische Umgebung dazu führte. Bilder werden neben der reinen Konservierung von Stiuationen für den Fotografen, gemacht, um von anderen Menschen angesehen zu werden.
Und darin liegt der Witz.
Ich nehme mal meine Bilder daher..
Eine blöde Kette auf einem Buch kennt jeder... aber die Zeilen unterhalb der Kette mit der Rose "..Gil. sie verzehre sich", läßt eine subtil, erotische Deutung für den Betrachter zu.
Das Baby-Foto, als Motiv jedem geläufig, zeigt in der Komposition die herrschende Bindung und Zärtlichkeit zwischen einem Baby und dem Erwachsenen in Vollendung. Jeder, der einen Sprößling hat, ist emotional "berührt" weil er die "Einzigartigkeit" solcher Momente erkennt. Die Darstellung dieses "Vertrauensverhältnisses" oder "Ur-Vertrauens" löst die Erinnerung an emotionale Momente mit dem eigenen Kind aus oder den Wunsch selbst so geliebt zu werden/geworden zu sein als Kind. Oder er assoziiert das mit einer bevorstehenden Elternschaft und dessen Bedeutung oder Wunsch in ihm selbst.
Ich hatte bei diesem Bild einfach das Glück, das es sich um meinen Enkel handelt, es andererseits aber durch die Art, wie es gemacht wurde, jeden ansprechen wird, der Kinder hat. Es ist somit nicht nur eine schöne Erinnerung für mich, sondern zeigt die Bindung zwischen Vater und Sohn und gibt damit dem Betrachter diesen feinen Faden der Bindung für seine eigene Besinnung.
Darin lag das Entscheidungskriterium bei der Auswahl.. Ein Baby mit "verschmiertem Kleckerlätzchen" nach dem Essen wäre hier sicher nicht reingekommen, sondern im Familienalbum gelandet, obgleich es mich selbst vielleicht eher an eine bestimmte, mir wichtigere Situation "erinnert" hätte.
Das ist für mich das Entscheidende.. welches Bild portiert etwas, hält das Auge des Betrachters und berührt ihn. Bei "Allerweltsmotiven" wie einem Baby, das wohl die meisten in ihrem Leben gesehen und fotografiert haben, sicher nicht so einfach.
Es kommen also immer die Aspekte der eigenen Emotion und das was der Betrachter darin sieht, zusammen. Insofern kann ich da Heikos Position absolut unterstützen.
LG
Henry
P.s.:
Darin lag auch meine Entscheidung, mich mehr für die emotional ansprechenden Bilder zu entscheiden, statt in einen "Wettlauf" in Bezug auf technische Perfektion wie Schärfe, absolut korrekte Belichtung oder tolle Beherrschung von EBV abzuheben, wie man in einem solchen Thread gern überlegt.