Moin,
ich denke, das Thema Einstellscheiben wird oft falsch eingeschätzt.
Nachdem die Berichte über den Selbsteinbau von Schnittbildscheiben in alle möglichen Kameras, eben auch die, für die das nicht bauseits vorgesehen ist, den Eindruck erwecken, das sei Spielerei, glauben viele, mit dieser Operation sei die Zeit der Analogkameras wieder zurückgebracht. Weit gefehlt.
Einerseits sind viele Einstellscheiben, die am Markt angeboten werden, schlichtweg Murks. Will heißen, erreichen den Qualitätsstandard der Originalhersteller nicht oder sind umgepfriemelte Scheiben anderer Kameras, die von der Dicke her passen und deren Kontur man wie auch immer hingedengelt hat.
Das kann funktionieren, muss aber nicht, und ich denke gemessen an dem, was eine Originalscheibe leistet, wird man möglicherweise enttäuscht sein. Geht man die Sache mit Herzblut und entsprechender mechanischer Expertise an, ist das was anderes - das kann man aber im gewerblichen Umfeld nicht immer voraussetzen, ohne damit den Gewerbetreibenden, die sich mit viel Hingabe alten Kameras oder solchen Menschen wie uns mit unseren seltsamen Wünschen widmen, in irgend einer Weise zu nahe treten zu wollen.
Andererseits, selbst wenn die Scheibe selbst in Ordnung ist, die Kameras, bei denen die Anlageflächen und Haltemechanismen nicht für den Austausch vorgesehen, das heisst feinbearbeitet sind, da man die Scheibe im Produktionsprozess einmal einmißt, beilegt und dann fixiert - was viel gröbere Toleranzen an den Auflagepunkten zuläßt als bei einer Anlagefläche, an die jede eingelegte Tauschscheibe passen muss, halten eben diese individuelle Justage mit dem Wechsel auf eine andere Scheibe in der Regel nicht.
Hier muss nachgearbeitet werden, das Thema Shims kommt hier ebenso zu Zuge wie das Thema saubere Arbeitsweise, Sorgfalt und mechanisches Feingefühl, denn viel kaputtmachen darf man im Sucher nicht, sonst ist die Kamera unwiderbringlich verloren.
Ich habe in der Sammlung derzeit zwei Kameras mit Schnittbildscheibe,
- eine EOS 1Ds (Classic) mit der serienmäßigen Tauschscheibe von Canon, wobei ich davon zwei habe, aber nur eine den Fokuspunkt trifft, was mir aber erst seit dem Vorhandensein eines Color-Ultron 1,4/55 und eines Prakticar 1,4/50 aufgefallen ist,
- eine EOS 10D mit einer Katz-Eye-Scheibe die in den USA umgebaut wurde - und die mit den beiden 1,4ern keinerlei Probleme hat. Auch wenn bei diesen alten Kameras die AF-Felder nicht mehr vorhanden sind, bei den neueren schon, erkennt man das Aufblitzen der roten LED so gut, dass man die Information zusätzlich zur Indikator-LED im Anzeigefeld des Suchers nutzen kann.
Die 10D wurde damals, so die Kommunikation, an einer Messeinrichtung auf Fokus justiert, die Ergebnisse sind sowohl im AF-Modus als auch manuell auf Schnittbild eingestellt absolut einwandfrei, die Scheibe ist deutlich heller als die alte AF-Scheibe, die ich selbstredend in einem entsprechenden Schächtelchen gereinigt wieder bekommen habe, so dass der Umbau reversibel ist. Auch wenn die Sache nicht billig war, sie hat sich für mich gelohnt, war doch dieses Gehäuse bis zum Eintreffen der 1Ds mein bei weitem bevorzugter Einsatzort des Altglases, da ich leider nicht mit den besten Augen gesegnet bin und die vorhandenen Einflüsse der deformierten Linsen leider nicht mit Augenkorrekturlinsen erschlagen werden können. Es sei denn, ich ließe mir welche anfertigen - was man mir seitens Canon mal angeboten hat, anscheinend gibt es Augenoptiker, die sowas noch können, die Leerfassungen gibt Canon ab.
Was ist mein individuelles Fazit:
- nach und nach werden alle meine Canon-Gehäuse (D60, 30D, 400D) mit den Scheiben ausgestattet werden, da ich an verschiedenen Einsatzorten Kameras deponiert habe, die ich dann gleichwertig nutzen kann.
- für die 1Ds werde ich mir eine superhelle Laserscheibe von Canon holen, da ich mir vorstellen kann, dass bei hochgeöffneten Objektiven die Schärfe durchaus so springend ist, dass ich das auch mit meinen Augen erkennen kann, sollte es nicht funktionieren geht die Scheibe wieder auf den Markt, ebenso wie die zweite Schnittbildscheibe meiner 1Ds, die bei mir einfach nicht korrekt sitzt. Zudem ist die Kamera mit AF derzeit nicht zu gebrauchen, da dieser justiert werden muss - da ich derzeit keine EF-Linsen habe, die mich dazu verführen, den AF an der VF-Kamera zu nutzen, schiebe ich das aber immer wieder heraus, vermutlich weil mit Reinigung, Justage etc. eine größere Rechnung ins Haus steht, die mangels Leidensdruck vermeidbar ist.
- eine Schnittbildindikatorscheibe rettet nicht jede Situation. Man ist heute durch die Kreuzsensoren verwöhnt, was die Strukturerkennung des AF angeht -> hier fällt man definitiv zurück, denn man muss bewußter den Fokuspunkt im Bild suchen, wenn die Scheibe zur Erkennung der Allgemeinschärfe nicht hell genug ist. Das wird leicht übersehen. Wer aus der alten Zeit die Fokussierung mit der Hilfe noch kennt, und auch die teils grottenfinsteren Sucher, der wird sich daran nicht stören. Wer sich an der Bequemlichkeit heutiger AF-Systeme gewöhnt hat, wird sich gewöhnen müssen.
- den Standard, den eine T90 hinsichtlich des Suchers hatte, erreichen weder die 1Ds noch die 10D. Die Änderung der Designkriterien beim Bau der Kameras werden da sehr deutlich.
Jörg