Ich muß da noch etwas mehr Wasser in den Wein gießen.
1. Durch die Umstellung von zwei Fotowiderstwänden (Icarex) auf einen (oben, statt zuvor beide seitlich) gibt es in Verbindung mit dem Fenster für die Einspiegelung der Blendenwerte Störlicht. Bei Offenblende und Sonne im Rücken kein Problem, bei Fotos mit Arbeitblende "in den Sonnenuntergang" (Gegenlicht) geht es aber in den ärgerlichen Bereich.
2. Der Beli funktioniert so, daß Zeit, Blende und Filmempfindlichkeit mechanisch eingesteuert werden und über ein Metallband das Drehspulinstrument bewegen (dessen Gehäuse drehen), am Ende entsprechen 0,6mm Bandweg einem (1,0!) Blendenwert:
Dabei gibt es für
- die Kurvenscheibe am Zeitenrad (Spritzguß, glasfaserverstärktes Polycarbonat "Makrolon GV", sie zieht über eine Hebelübersetzung am Band)
- den Keil für die Blende im Objektiv (zieht eine lose Rolle, also Wegverdoppelung!)
- die Kurvenscheibe für die Filmempfindlichkeit (Messing, Hebel)
Toleranzen und das lange Metallband unterliegt der Dehnung bei Temperatureinfluß.
Alle drei Elemente übersetzen "kleiner Weg nach großer Weg", mit anderen Worten: Die Bauteiltoleranzen werden mit der Wegvergrößerung mit vergrößert.
Die Kurvenscheibe Zeit (Spritzguß!) hat einen Formfehler und einen Zentrierfehler (und sie kann auf der Achse kippen), der Hebel vergrößert den Fehler,
der Keil und die Anpassung des Objektivs bringen eine Toleranz und die "lose Rolle" im Bandzug verdoppelt den Weg und damit auch jeden Fehler,
die Kurvenscheibe DIN/ASA hat einen Formfehler (und einen Zentrierfehler und sie kann auf der Aches kippen).
Zeitenscheibe 25,71° pro Stufe, Steigung 3,3mm/360°, also 02,36mm / Stufe an der Scheibe, per Hebelübersetzung 2,52 ergeben 0,6mm am Band
größter Radius= 10mm +/1 0,1mm, Steigung 3,3 -0,05mm/360°
![]()
Dazu dann noch ein Exzenterfehler usw. usw. DIN/ASA Kurvenscheibe 1,25mm Steigung / 360°, 45° Drehwinkel für 3 Din / ASA Verdoppelung oder Halbierung, Radiendifferenz 0,156mm ergeben 0,6mm Bandweg.
Kleinster Radius 4,8 -0,05mm, Steigung 1,25 -0,05mm/360° (pikanterweise mit der gleichen Toleranz angegeben wie das Spritzgußteil, was erlauben?)
Die Fehler überlagern sich dann (Addition oder Kompensation), für jeden Einzelfehler Gaußsche Normalverteilung angenommen, Justage bei Zeit X (1/2s laut Buch WIMRE), 30% aller Geräte liegen 0,3 Blenden daneben, 11% um 0,4 Blenden und 2,6% der Geräte liegen gemäß konstruktiver Vorgabe um 0,5 Blenden neben der Mütze.
3. Dazu kommt dann noch der elektrische Fehler des Meßwerks (Addition oder Kompensation), und die DIN fordert +/- 0,5 Blenden Genauigkeit. Das wird gaaanz oft knapp.
4. Dazu kommen aber noch geistig moralische Defizite bei der Auslegung des Hemmmwerks (ungünstige Hebelwege, ungünstig gewählte Toleranzen für die Zahnräder) für die Verschlußzeiten und die Zeiten lassen sich aufgrund der Konstruktion des Hemmwerks oftmals einfach nicht justieren (zu große Streuung über X Auslösungen an einer Kamera bei einer eingestellten Zeit).
Das habe ich im Detail natürlich nicht alles selbst so erarbeitet ;-) Rollei bzw. Rollei-Werke Franke&Heidecke hat die Konstruktion als "fertig enwickelte Kamera" dereinst von Zeiss Ikon gekauft (im Rahmen des Kaufes der Voigtländer-Werke) und versuchte dann, die Kamera (Zeiss Ikon SL 706) im neuen Gewand als Voigtländer VSL 1 bzw. Rolleiflex SL 35 M in eigener Regie zu bauen. Dabei stieß man auf eine hohe Zahl von Kameras, die die Qualitätskriterin nicht erfüllten. In der Folge kam es zum Streit mit Zeiss Ikon und Rollei ließ a.d. 1976 von der TU Braunschweig und der TU Hannover Gutachten erstellen (aus denen ich hier sinngemäßt zitiere). Die Gutachter führen aus, daß eine Kamera ein komplexes Gebilde ist, aber jede Kette nur so stark wie ihr schwächstes Glied, und die für eine korrekte Belichtung maßgeblichen Glieder Belichtungsmessung und Belichtunsgszeitensteuerung sind fahrlässig schlecht konstruiert.