Selbstverständlich stellt sicherlich niemand ernsthaft die Möglichkeiten der schnellen Bildkontrolle moderner Kameras in Frage.
Sie ist ein Segen für einen heutigen Fotografen... aber auch der Beginn des "Vergessens"... für einen Anfänger in der Fotografie.
Während man sich / der angehenden Fotograf zu analogen Zeiten seinem Hobby durch das Lesen von Büchern über Fototechnik über die gesamte Kette von der Aufnahme bis zum fertigen Bild bilden musste um seine Vorhaben auch erfolgreich umzusetzen, reicht heut ein Klick, Bildkontrolle und wenns nichts geworden, ist, gleich nochmal mit geänderten Werten abdrücken oder es gleich die Automatik machen lassen.
Wo früher Schatten und Lichter ausgemessen wurden, man sich über die Messmethoden informierte, sie einübte und verschiedene Situationen "durchspielte", greift man zum Belichtungskorrekturrad und haut da 2/3 Blendenstufen Belichtungskorrektur rein bis es "passt"... Die unterschiedlichen Messmethoden oder auch nur die Frage, wie der kamerainterne Belichtungsmesser etwas "handhabt" in welchen Modi, kann man zwar in der Bedienungsanleitung nachlesen, aber das gilt oftmals schon als "uncool", denn ein Menü soll ja selbsterklärend sein. So hangelt sich der User durch eine Unzahl von Menüpunkten und Pictogrammen und nur der wirklich ambitionierte Amateur lernt dann seine Kamera genauer kennen. Insbesondere die A und P Modi tragen erheblich zum Verlust des Wissens bei...
Übertragen auf die uralte Frage, ob man Kinder noch mit den Grundrechenarten "quälen" soll... solche Dinge wie "Kopfrechnen" noch lehren soll... bedeutet dies letztlich den Kindern lieber den Umgang mit dem Taschenrechner nahe zu bringen..
Ein Taschenrechner ist ein absolut unverzichtbares Werkzeug... so wie die heutige Digitalkamera. Aber es ist die ganz große Frage, ob der Taschenrechner ohne Kenntnis der Grundrechenarten Sinn macht.
Im analogen Prozess des Fotografierens musste die gesamte Kette verstanden werden..
Welcher Film wofür, Lichtumstimmungsfilter, Kunstlichtfilm (und damit die Besonderheiten), Filmempfindlichkeiten, Messmittel für die Farbtemperatur des Lichtes zu unterschiedlichen Zeiten... dies schon alles vor der eigentlichen Aufnahme... (und ich hab hier sicherlich einen Haufen Dinge nicht aufgezählt)
Dem Licht und seinen Eigenschaften kam eine große Bedeutung zu... die richtige Tageszeit abzuwarten, hochstehende Sonne zu vermeiden, Farbstiche durch z.B. Blattgrün bei Portraits von Menschen die unter Bäumen stehen zu vermeiden, Aufhellschirme oder Blitzdosierung bei Aufhellblitzen zu erlernen und vieles mehr, was nur diesen Teil des fotografischen Daseins ausmachte...
Den gesamten Weiterverarbeitungsprozess ebenfalls mit zu nutzen, und sich daher mit den Chemikalien, Papieren, Umkopiervorgängen, Entwicklertypen, Techniken wie Abwedeln, partiellem Nachbelichten, Retuschieren, bis hin zu den Gradationen der verschiedenen Papiere auseinander zu setzen, war eine "echte" Aufgabe, die viel Lesen und praktische Anwendung erforderte...
Nun kann man / der heutige Fotograf natürlich all diese Dinge über seine digitale Bildbearbeitung in seinem jeweiligen Programm (mehr oder weniger gut) erreichen, aber - und das halte ich für das Entscheidende bei dieser Vergleichsbetrachtung - wird es ihm jemals die Hintergründe dieser Software-Bestandteile "nahe bringen"... ohne selbst diese gott sei dank noch etlichen von uns bekannte praktische Hintergrundwissen erlangt zu haben?
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die heutigen Digitalkameras für Fotografen, die diese "Schule" vor Jahrzehnten hatten, ein Riesenvorteil ist... Ob es aber für den "Neuling" in der Fotografie förderlich ist, möchte ich aus meiner Sicht verneinen, denn früher waren diese Dinge "ein Muss", heute wurde daraus ein "kann", auf dem Wege zum besseren Verständnis.
Würde man das auf die heutige Zeit übertragen, so sind die Notwendigkeiten von korrekter Belichtung und dem Umgang mit Licht nach wie vor vorhanden... alles hat die gleiche Gültigkeit... was das erlernen angeht.
Nur ob es dann getan wird, steht auf einem anderen Blatt "Bromid-Papier"...
Man sollte den Vorteil der schnelle Bildkontrolle nicht überbewerten... bei ambitionierten Hobby - Fotografen war in sehr vielen Fällen eine eigene SW - DuKa vorhanden, Filmentwicklung an der Tagesordnung und ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, wo ich mit Freunden in der DuKa beim Bier die Bilderausbeute besprach... da trafen sich dann bei mir oder Kollegen diejenigen, die keine Räumlichkeiten für eine DuKa hatten.. war eine oft gesellige Sache.
Heut schaut man sich seine Bildchen auf dem PC an... in den seltensten Fällen kommt da irgendein Print bei raus... und produziert tausende von Bildern, die im Archiv auf der Festplatte liegen..
Das soll jetzt bitte nicht als eine Fürsprache nach den "guten alten Zeiten" verstanden werden, denn wie ich bereits ausführte, hat das, was wir heute im Kamera-Sektor vorfinden erhebliche Vereinfachungen gebracht...
aber es erfordert für den Neuling auch eine erheblich größere "Überwindung" sich mit dem Hintergrund-Wissen vertraut zu machen, die zu den heutigen Entwicklungen führte, die wir heute wie selbstverständlich nutzen.
Insofern ist es dem Neuling aus meiner Sicht unbedingt anzuraten, beide Welten in der Tiefe kennen zu lernen... das aber bedeutet, sowohl gelegentlich durch die vermeintlichen "Qualen" des Analogen zu wandern, als auch für schnelle Bildergebnisse die digitale Knipse zu nutzen.
Bewunderung hege ich immer für User wie unseren CsF (und andere), der auch heute noch bis hin zur Filmentwicklung (weiß nicht, ob er auch eine eigene DuKa hat), den analogen Prozess parallel durchläuft.
Es ist schon eine feine Sache, wenn ein Beginner auch versteht, wozu die Schärfentiefe-Skala auf dem gern genutzten manuellen Objektiv überhaupt dient, statt in Foren verlinkte herunterladbare DOF - Rechner auszudrucken und mitzuführen, obgleich auf seinem manuellen Objektiv eigentlich alles aufgedruckt steht, er es aber oftmals nicht "ver-" steht, wie mir in Usergesprächen immer wieder auffiel, und große Augen gemacht wurden, als man es dann erklärte.
Und es ist im Grunde immer das Gleiche... jede "VEreinfachung" und Entwicklung in Richtung "Black Box" bedeutet auch einen teilweisen Verlust an Hintergrundwissen, den es dann engagiert "aufzuholen oder selbst zu erarbeiten" gilt... während man es früher beim Einstieg einfach als Grundbedingung für erfolgreiche Bildergebnisse erlernen "musste"...
Just my 2 cents
LG
Henry