Der Begriff "Altglas" erschien mir von Anfang an unangemessen abwertend. Mit Blick auf die Geschichte der Photo-Optik gab es bei deren Design immer eine Optimierung zum Verwendungszweck in Verbindung mit der Größe und den Eigenschaften des aktuellen Aufnahmematerials. Ich vergleiche daher die Kunst des Optik-Designs (Apo und asphärisch* hin oder her) gerne mit der Kochkunst oder harmonischen Komposition.
Das schon 1840 designte Petzval-Objektiv war wegen seiner Lichtstärke das erste Portrait-Objektiv (lichtstark, riesiger Bildkreis, von dem ca. 20° außerordentlich scharf war und seine lange Baukonstruktion). Später wurde das Design als Projektionsobjektiv genutzt (s.Hinnerk`s Meopta und historische Aufnahmen).
Waren lange Kontaktkopien von den GF-Aufnahmematerialien üblich, brauchte es für die Einführung des KB-Materials "scharfe" Vergrößerungen und damit eine Optik mit hoher Kantenschärfe. Das Tessar wurde geboren (Presse, Repro, Kartographie, Vergrößerungsobjektiv, Luftbild für unterschiedlich definierten ABB`s).
Eines der "schärfsten" Reprobjektive unter der Sonne ist das CZJ APO-Germinar. Die Fa. Docter baute es nach der Wende von seiner rein graphischen Verwendung im näheren Bereich auf unendlich um. US GF-Schärfe-Fanatiker zahlten Freudenhaus-Preise....für ein DDR-Produkt
-Ich begnüge mich mit dem spottbilligen, rattenscharfen Industar 61LD an einer Zorki II aus Soviet-Produktion -
Weil das Tessar als Portrait-Linse allein Dermatologen begeistert hätte, wurde fast gleichzeitig das Heliar für GF in zwei Versionen für Portrait gerechnet. Statt Hornhaut zerschneidender Kantenschärfe hat es mehr angenehm zu betrachtender Flächenschärfe. Die seltene Version mit einer beweglichen Linse (sog. "Meister-Objektiv"), macht seine Weichheit steuerbar.
Was heute als KB-Heliare angeboten wird, hat mit dem Charakter des UR-Heliars nichts mehr gemein. Das UR-Heliar braucht zur Entfaltung seiner optischen Magie deutlich größere Aufnahmeformate ab 4/5 inch.
Hier möchte ich mal darauf hinweisen, dass auch in der Photographie nichts über "Hubraum" geht. Ein Fiat 500 auf 200 km/h getuned oder ein 5L Böxchen über 90dB vermitteln den gleichen Stress wie ein mit Leitz apo, asphärisch, xyz-Glas mit KB ADOX CMS20 auf 200cm Breite vergrößert. Es geht, aber, aber![]()
Aus ähnlichen Gründen machen meiner Ansicht nach extreme Weitwinkel auf Briefmarken-Formaten (und kleiner) nur sehr bedingt Spaß. Um in die SWW-Bilder "einzutauchen" brauch man größere Vergrößerungen und da hapert es dann an den nötigen Dynamik-Reserven bzw. an Hubraum. Als Effektlinsen sind sie o.k. aber stitchen mit längerer Brennweite entspräche eher dem Augeneindruck.
Nicht grundlos werden u.a. Autos (Lack) und Architektur (Glas/Alu) nach wie vor großformatig abgelichtet.
Historisch kam das Farbmaterial hinzu und wieder mussten die Optiken den neuen Anforderungen angepasst werden. Durchgesetzt haben sich u.a. Gauss-Designs, die zwischen Kantenschärfe (Bilder aus der Gefriertruhe) und Flächenschärfe harmonisch vermitteln. Da sehen Pelze scharf aber noch "puschelig aus und nicht nur kratzig.
Jeder Profi sollte wissen, dass Fremdlichteleminierung die beste Vergütung ist. Ich weiß von Leuten, die ihre Vergütung ihrer alten Festbrennweite an Front -und Rücklinse abgeputzt haben und ihre Optik penibel vor Fremdlicht schützten. Das brachte einen Gewinn an Flächenschärfe ohne den Kontrast negativ zu mindern.
Bekanntlich neigt eine Optik mit zunehmender Zahl an Glas-Luft-Flächen zur Überstrahlung. Siehe die von Leitz zur Brennweite passenden, rechteckigen Sonnenblenden oder Kompendien für Fach -und Filmkameras.
Zur GF habe ich ein altes, unvergütetes 120-iger Angulon. Kein Problem mit Verplästern, da das vollsymmetrische Design aus 6 Linsen in zwei verkitteten! Dreiergruppen besteht. Übrigens unterschieden sich moderate Vergrößerungen bei f22 von dieser superleichten Optik nur marginal von dem vergüteten, deutlich größeren und damit schwereren Nachfolger Super-Angulon.... und die beiden Linsen-Gruppen des Angulons lassen sich auch noch einzeln als längere Brennweiten verwenden! Was heute Zoom heißt, war früher das Satz-Objektiv im Koffer.
Noch etwas Physik: Je kleiner das Aufnahmformat (ABB), je größer die Schärfetiefe, logisch. Gut z.B. für Insekten-Portraits und schlechter für größere Dinge. Da fehlt dann bei den "normalen" Blenden die plastisch-räumliche Darstellung und das Bild sieht schnell wie eine flächige Montage aus. Zumindest mit zunehmend größeren Format wird auch hier der Gestaltungs-Spielraum größer. Darum mag ich meinen Glasklotz Aero Ektar 2,5/180 für 4/5inch aus einem US-Bomber von 1942, der ein Biotar sein soll.
Keine Frage, tolle Photos kann man mit jedem Format und sogar ganz ohne Glas machen. Ich denke es schadet nicht zu wissen, ob die adaptierte Optik für den angestrebten Zweck konstruiert war oder in der neuen Verwendung Sinn macht. Hier liegt noch ein rechteckiger, viellinsiger Glasklotz aus der Zieleinrichtung eines Panzers.....
*asphärische Linsen sparen meines Wissens nach lediglich sonst zur Korrektur erforderliche Linsengruppen
...oder bringen den zitierten Fiat 500 auf 212Km/h
Mehr Infos findet ihr im deutschen Großformat-Forum.
Äußerst Kompetent ist der ältere Photo-Ing. Tomas Kreil, der Optik noch bei den CZJ Entwicklern studiert hat.
Oder der leider verstorbene Physiker Peter.K., der in der optischen Industrie West als Entwicklungsing. arbeitete.
HG, Rainer



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