Lektion 3 – Von der Kamera zum Schnitt
Manch einer wird fragen, wieso das hier eine eigene Lektion ist.
Der typische Workflow hier wäre die Daten von der Speicherkarte respektive der Kamera auf den Computer zu kopieren und direkt anzufangen. Das hat allerdings ein paar Probleme, die viele von euch sicher schon mal erlebt haben könnten.
Codec
Ja, wieder der gute Codec. Der h.264 wurde mal erschaffen, um etwa im Internet bei geringen Datenraten eine gute Qualität zu gewährleisten; das macht er auch extrem gut, man schaue sich etwa mal die Filmtrailer auf Apple.com an. Aber leider ist er eben nicht zur Bearbeitung gemacht; er bildet nämlich gern mal Artefakte und braucht erheblich mehr Rechenleistung als zum Beispiel der gute alte DV-Codec aus Tape-Zeiten.
Ein erster Schritt wäre nun, dass man die Daten in einen anderen Codec umwandelt um diese dann besser schneiden zu können; das ist tatsächlich recht normal und wird auch in meinem Umfeld fast immer getan.
Um ein wenig zu prahlen (auf Ebenen die hier nicht so spannend sein dürften): ich habe, eben Arbeitsbedingt, einen extrem starken Computer. Ich habe in meinem Leben erst ein Projekt umgewandelt, und das nur, damit ich auf einem Mac(und einem MacBook) überhaupt erträglich schneiden konnte. Ich hatte es einfach nie nötig, das zu tun – bis vor kurzem, aber dazu später mehr.
Zur optimalen Bearbeitung gehen wir am Besten in einen Codec, der auch zum Arbeiten da ist; die nennen wir für gewöhnlich „Intermediate Codec“. Beispiele dafür sind Apples ProRes oder DNxHD von Avid. Aber Achtung: die Daten nehmen an Größe massiv zu. Neben der besseren Bearbeitung geht meist auch eine bessere Qualität (zumindest bei der Nutzung von 5DtoRGB und dem CineFrom Studio, s.u.) einher.
Was für viele jetzt ernüchternd klingen kann: 45Mbit einer Canon sind nicht viele Daten. Also im Vergleich zu den 25Mbit von DV schon, aber das war auch nur PAL. Bei 45mbit erhalten wir etwa 5,5 Megabyte pro Sekunde – zum Vergleich: ein unkomprimierter FullHD-Stream hat 1,5Gbit, das sind 187,5 Megabyte pro Sekunde. Unser Ziel ist etwas dazwischen.
Wer an einem Mac arbeitet sollte für dich ProRes wählen – meine Lieblingsvariante ist ProRes LT mit einer Datenrate von etwa 80Mbit. Die großen Brüder sind für uns kaum Interessant: das Material bleibt ja gleich, es ändert sich ja nicht. PCs können (mit Quicktime Pro) dieses Format zwar öffnen und bearbeiten, nicht aber in dieses Format schreiben.
Wer am PC arbeitet hat aus dem Hause Avid den DNxHD-Codec, den er nehmen kann. Diese kommen auch im Quicktime-Containerformat MOV, können also auch am Mac bearbeitet und geschrieben werden; wer Kompatibel bleiben will hat also hier ein größeres Los gezogen
Ganz neu:
Die Firma GoPro hat "vor kurzem" den Codec-Giganten CineForm gekauft, welcher eigentlich (teuer zu bezahlende) Codecs für High-End Lösungen anbietet. GoPro, eigentlich Hersteller von schönen Action-Kameras, wollte einfach die 3D-Möglichkeiten des Codecs für seine Produkte haben (da kauft man schon mal eine Firma, gell?).
Das ist für uns ein riesen Vorteil: das kostenlose GoPro CineForm Studio ist optimal benutzbar, speichert die Videos "platzgünstig" und ist gut verarbeitbar.
Die Daten werden also doppelt bis dreifach so groß wie sie ursprünglich waren, wenn wir von Canon aus kommen. Wer eine Panasonic hat hat noch mehr Datenmenge auf der heimischen Festplatte. Wie soll man sagen – es ist eben auch HD, was da bearbeitet werden will. Mit den CineForm-Codecs ist es schwer zu sagen, da die BitRate variabel ist. Er ist nun aber defintiv kleiner als DNxHD, meist unter 100Mbit!
In der Theorie kann man das Material auch in HDV wandeln; dies ist ähnlich gut zu bearbeiten wie altes DV und besitzt die gleiche Datenrate. Das geht aber mit Verlust der vertikalen Auflösung einher – das Format wird nämlich anamorph gespeichert und beim anschauen/bearbeiten um den Faktor 1,33 gestreckt. Das ist nun aber auch in Anbetracht der ohnehin geringen Auflösung nicht so tragisch.
Problem ist nur, ich weiß akut keine Lösung in dieses Format zu wandeln - denn MPEG2, was HDV ist, braucht eine (kostenpflichtige) Lizenz zum Erstellen und Abspielen.
Umwandlung in DNxHD und ProRes
Um das Format in DnxHD oder ProRes zu wechseln empfehle ich eine kostenlose Software – sie heißt MPEG Streamclip. Sie ist dabei sogar für Mac und PC erhältlich.
Für CineForm nehmen wir das integrierte Studio - dazu später mehr.
Die Bedienung ist Kinderleicht. Nachdem wir eine Datei geöffnet haben (File → Open Files oder STRG+O) gehen wir über File → Export to Quicktime (STRG+E) in die Konfigurationsmaske. Die wichtigsten Sachen von oben bis unten:
Im oberen Drop-Down Menü wählen wir in diesem Beispiel den Avid DNxHD. Über „Options...“ daneben kommen wir (zumindest auf meinem PC) zu einem verkrüppelten Fenster; unten ist ein Drop-Down Menü versteckt, hier wählen wir den entsprechenden Codec für unser Format (man beachte Hauptsächlich die Auflösung, die Bildrate und p/i; die Datenrate wähle gern bei 120Mbit). Der Rest bleibt so.
Zurück im großen Fenster wählen wir die Qualität bei 100%, links die Auflösung (vielleicht will man ja herunter skalieren). Ganz wichtig: bei progressiven Material (also Vollbildern, jede Canon nimmt so auf) muss der Haken bei „Interlaced Scaling“ entfernt werden. Falls wir Interlaced-Material (zum Beispiel Sony NEX und DSLRs zeichnen so auf) haben, können wir das wenig drunter direkt deinterlacen lassen. Das kleine Drop-Down Menü unten stellt uns vor die Wahl ob „Upper“ oder „Lower Field First“; das ist nur bei Interlaced-Material interessant und kann zum Beispiel mit MediaInfo ausfindig gemacht werden. Allgemein gilt: wenn ich Interlaced-Material habe und es progressiv will, auch einen progressiven Codec wählen!
Über „Adjustments“ können wir noch kleinere Änderungen vornehmen; ich nutze hier höchstens das Wasserzeichen, um etwa verschiedene Schnittfassungen zu kennzeichnen oder dem Kunden die Verarbeitung zu unterbinden.
„Make Movie“ ist nun der Button der Wahl, um das Material umzuwandeln; das kann etwas dauern, aber entlohnt eben unter Umständen mit einer besseren Bearbeitbarkeit (gibt es das Wort?).
Auch Batch-Processing von vielen Daten auf einmal ist möglich, wenn man viele Clips zu verarbeiten hat.
Das beschreibt nun den Workflow für DNxHD - am Mac funktioniert das mit ProRes genau so. Wählt einfach ProRes LT und - ganz wichtig! - in den "options" sollte die Gamma-Korrektur auf "ohne" stehen, nicht auf "automatisch". Das versaut einem die Helligkeit, und zwar dynamisch (aber hüpfend).
Vielleicht hat jemand bei ProRes oder DNxHD die Proxy-Version entdeckt, mit 36Mbit. Die ist im allgemeinen nicht zu empfehlen – hier treten deutliche Blöcke hervor die stören können (versuchts mal aus). Dieser ist eben zum Schneiden mit Proxy-Daten da; man schneidet mit einer wesentlich schlankeren Version des Materials (etwa auf dem Notebook unterwegs) und ersetzt die Daten anschließend mit den Originalen. Bei einer Produktion, wo die Kamera selbst schon 300Mbit aufzeichnet, ist das natürlich interessanter als für uns.
Umwandlung im CineForm Studio
Obgleich man in dedizierten Kompressionsprogrammen wie dem Adobe Media Encoder ein paar Optionen mehr hat, reicht das Studio vollkommen aus und wandelt wunderbar um. Und einfach ist es auch!
In der Theorie geht das für OSX und Windows. Die OSX-Version hat aber, so weit ich weiß, manchmal ein paar Probleme. Hier würde ich bei ProRes bleiben (nur um sicher zu gehen und komplett kompatibel mit allen Apple-Produkten zu sein).
Für die, die des Englischen mächtig sind, habe ich ein Tutorial parat; falls nicht, hier die wichtigsten Fakten:
Zuerst müssen wir nach der Installation das Symbol in der Taskleiste inspizieren und die Option "Filter 422 to 444" anmachen, damit das Subsampling besser wird (wichtig!). Nun machen wir das Programm auf:
Erst einmal importieren wir die Clips, die wir wollen (1). Über einen kleinen Button am unteren Rand (2) kommen wir in ein Menü für erweiterte Optionen (3). Hier macht es Sinn, die Source-, also die Quell-Eigenschaften zu übernehmen. Falls wir aber zB 1080p Material haben, können wir auch gut direkt in 720p (1280x720 Pixel, oft auch HDReady genannt) umwandeln. Die Framerate sollte einfach übernommen werden (in Europa sind 25p üblich), die Audio-Source einfach so belassen (bei 3D-Kamera Setups interessant).
Das Fileformat würde ich auf AVI lassen, da MOV hier gerne Probleme bereitet. Wer auf Mac UND PC arbeiten muss, sollte MOV aber durchaus probieren.
Die Qualität ist auf Medium in Ordnung, High nimmt man für tadellose Qualität - Low sollte man nicht wählen (Pro-Tipp: über Programme wie den Adobe Media Encoder hat man nocht ein paar mehr Qualitätsstufen zur Auswahl; dies ist aber mehr für Projekte interessant, die sehr stark bearbeitet werden sollen)
Remeber Settings behält die Auswahl für andere Dateien vor - und schon sind wir fertig!
Über den großen blauen Button (4) können wir nun alle Clips, die wir wollen, zur Batch-Liste hinzufügen. Via "Convert All" (5) starten wir diese (ganz unten in der Mitte des Bildschirms können wir, falls gewünscht, einen alternativen Speicherpfad festlegen).
Sind wir fertig, kann man im Edit-Menü (6) noch viele Parameter einstellen. In der Theorie ist die Bearbeitung hier die Beste, die man den Daten antun kann, da sie direkt im Codec arbeiten. Für kleinere Anpassungen (Weißabgleich, Helligkeit, etc) durchaus zu empfehlen!
Umwandlung mit 5DtoRGB
dieser Punkt fliegt raus. Zugegeben, 5DtoRGB war eine brauchbare Lösung, nun aber kostenpflichtig (für OSX) und immer noch schwer nutzbar für Windows. Mac-User sollten im AppStore nach 5DtoRGB schauen, PC-User brauchen das nicht - denn durchs CineForm-Studio wird es ohnehin obsolet!![]()
Unterm Strich
Das Umwandeln kann uns helfen, muss aber nicht. Mit ProRes LT konnte ich auf meinem MacBook (Core2Duo 2,1GHz) halbwegs erträglich schneiden; ein Garant, dass das überall mit jeder Software geht, ist das freilich nicht. Intermediate-Codecs sind gerade für hochpreisige Schnittlösungen gemacht, eine Optimierung findet sich also nicht unbedingt in jeder Budget-Software; was das angeht gibt es vermutlich nirgends den perfekten Codec.






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