Lektion 2 – Vor und während der Aufnahme
Speziell bei DSLRs und Systemkameras gibt es schon vor der Aufnahme ungefähr dreihundert Dinge zu beachten. Vieles davon lässt sich beim korrekten Verständnis umgehen, vieles aber auch nicht; hier gilt es, zu wissen was Sache ist, um die Probleme umgehen zu können.
Fangen wir also mit der grundlegendsten an: der Kamera selbst.
Ergonomie
Jeder der mal einen richtigen Camcorder in der Hand gehalten hat weiß, wie unsäglich schlecht DSLRs und Systemkameras in der Hand liegen. Ihr grundlegendes Problem ist ihre Bauform; sind sind von Natur aus eher kurz. Das Problem ist, dass hier sehr schnell Wackler entstehen – und zwar ein kippeln, „hoch und runter“. Wenn eine Kamera wenige Grad geneigt wird, ist es ein ähnlicher Effekt wie wenn man die Kamera ohne Neigung ein paar Zentimeter anhebt – das steht aber nicht direkt im Verhältnis. Dieses Kippeln und das damit verbundene Wackeln entsteht selbst bei Leute mit ruhigster Hand wenn man „handheld“ aufnimmt.
Ein Lösungsansatz ist das klassische Stativ, oder etwas, was die Kamera länger macht – so können die kniffligen Wackler gar nicht mehr richtig entstehen. Beispiel wäre da, ganz plump, ein Holzbrett mit Loch und 1/4“-Schraube.
Belichtung
Ja, einer der grundlegenden Parameter zur Belichtung fällt im Prinzip einfach weg, beziehungsweise wird starr. Ausgegangen von einer Bildfrequenz von 25 Bildern pro Sekunde (fps), ist die übliche Belichtungszeit 1/50 Sekunde. Das kommt vom typischen 180°-Shutter in einer Filmkamera (ja, dort ist ein Shutter eine abgeschnittene Scheibe), welcher die Hälfte der Zeit, die das Bild da ist, belichtet – also ist die Faustregel, dass man die doppelte Bildfrequenz belichtet. Bei 24p („p“ steht hier für Progressive, Vollbilder, meint hier auch „fps“) entsprechend 1/48, bei 100 fps wären es 1/200 Sekunde. Aber wieso nicht anders?
Wir als Zuschauer haben uns an diese Belichtungszeit gewöhnt, die Bewegungsunschärfe ist hier für uns „normal“. Eine längere Belichtung würde ungewohnt „schmierig“ wirken, eine kürzere wirkt schnell Stakkato-mäßig (aber auch das kann man motiviert nutzen, wie bei „Der Soldat James Ryan“ in der Anfangsszene). Manchmal muss man aber auch umsatteln, etwa wenn man in der Post-Produktion noch eine Zeitlupe berechnen will.
Um nun bei relativ offener Blende etwa draußen filmen zu können ohne das einem der Chip vor Helligkeit explodiert, empfiehlt es sich einen ND-Filter oder gar einen ND-Fader zu nehmen, um variabel auf die Helligkeit reagieren zu können.
Im Dunkeln hilft dann nur noch die Blende, und die ISO – dies ist bei Video kritischer als beim Foto, aber dazu kommen wir später noch.
Codec
Spätestens jetzt beginnt der „lustige“ Teil.
Wir zeichnen bei so ziemlich allen Kameras dieser Klasse im h.264-Codec in verschiedenen Container-Formaten auf, meistens MOV. Bei Canon haben wir dabei etwa 45mbit (mit Ausnahme der 500D), Panasonics nehmen etwas in den 20ern auf. Generell (ohne Hacks versteht sich, dazu später mehr) sind die Aufnahmen nun 8bit und mit dem Farbsampling 4:2:0 (was bedeutet denn der Quatsch?). Auch wenn die Datenrate etwas anderes suggeriert: das Material ist „Müll“. Es ist wirklich nicht gut; es hat, gerade bei Quicktimes MOV, vielerlei Probleme und im Endeffekt haben wir etwas schlechteres als wenn wir JPEGs aufnehmen würden.
h.264 ist ein toller Codec zum anschauen; leider nicht zum Arbeiten. Er braucht einen recht potenten Computer, damit er gescheit bearbeitet werden kann. Auch hier kommen wir später erst zu Lösungen.
Der Codec hier zeichnet dazu dem menschlichen Sehempfinden nach auf. Das heißt: dunkle Bereiche kriegen weniger Information gespeichert, „mehr Matsch“, als helle. Denn das Auge sieht im Hellen einfach viel besser als im Dunkeln. Das Problem ist nun, wenn wir am Material was machen wollen – hier ist manchmal nicht mehr viel zu holen. Aber man kann auch nicht maßlos überbelichten, denn Informationen in den hellen Bildbereichen kriegen wir gar nicht mehr wieder. Manch einem ist das vielleicht egal und er macht mit dem Material ohnehin nichts mehr – aber das ist nicht meine Weltund deswegen kommen wir direkt zum nächsten Punkt:
Picture-Styles (ggf etwas stark Canon-bezogen)
Ein Picture-Style ist nichts anderes als ein Algorithmus der regelt, wie das Licht, das auf den Sensor kommt, gespeichert wird. Jeder In-Kamera-Effekt (wie Monochrome oder so) ist nichts anderes als ein Picture-Style.
Für mich war es damals ein Kaufgrund. Ich habe das schon an einer Canon XH-A1 erlebt, und auch eine Sony F23/F35 haben ähnliche Funktionen, die sie dort S-LOG nennen.
Ich selbst bin kein Freund vom Canon „Standard“, aber ich liebe zum Beispiel Velvia (3rd Party). Velvia brennt einem nur einfach alles weg – aber das ist manchmal toll, etwa wenn ich zu Ostern im Garten sitze und die Kinder fotografiere. Im Video hat das aber wenig verloren. Denn der Picture-Style kann uns helfen, mehr Informationen zu speichern.
Von eingebauten Styles ist bei Canon der „Neutral“ der erste Style der Wahl. Dieser ist eben neutral – nicht so viel Kontrast, nicht so viel gesättigt. Denn alles was wir in der Kamera haben, haben wir so – wir haben keine RAWs!
Wir haben Chips die eine hohe Dynamik haben (11,0 Blenden bei der 7D und gleichen Chips, 11,2 Blenden bei der 5D MKII wenn man Zacuto glauben darf). Doch diese Dynamik will genutzt, nicht durch einen blöden Picture-Style künstlich gedrückt werden.
Um nun das best-mögliche raus holen zu können, muss das Material möglichst „flach“ sein. Die hellen Lichter etwas dunkler, die dunklen Sachen etwas heller. Das sieht dann an sich echt nicht gut aus, aber wir haben eine Basis wenn wir das Material noch mal irgendwie anfassen wollen.
Es gibt verschiedene Picture-Styles die das erreichen; einer meiner Lieblinge ist Marvell's Cine und auch Crooked Path Flat (unter Punkt 2). SuperFlat ist ein sehr bekannter, der rauscht mir allerdings zu viel in den Tiefen.
Ganz „neu“ ist etwas ganz besonderes: Cinestyle von Technicolor. Technicolor und Canon haben zusammen an diesem kostenlosen Style gearbeitet um die 5D MKII aufgrund ihres großen Erfolgs in der Film-Szene noch etwas attraktiver zu machen.
Schauen wir uns nun doch mal endlich an, was wir da kriegen:
Der Vergleich zeigt die selbe Szenerie, selbes Objektiv, selbe Kamera. Standard, Neutral, Cinestyle.
Ich habe mit Absicht meinen (sehr ordentlichen) Schreibtisch mit Objektiven gewählt, damit man mal sieht, wie viel Information man einfach mal mehr in den Tiefen kriegt. Hier ein anderes Beispiel: man beachte das Fenster am Haus gegenüber.
Ich will ausdrücklich sagen, dass nicht jedes Video etwas derartiges braucht; es behält einem aber Flexibilität, und möglicherweise auch Qualität. Eine Art Pseudo-RAW. Tut euch aber einen Gefallen und nehm zumindest „Neutral“
Hier ein Video, was gut erklärt wie man die Styles auf Canons installiert: click (von Farbkorrektur versteht der nichts, aber er vermittelt ganz gut)
Wer keine Canon hat:
Ich bin mir sehr sicher, dass Panasonic so etwas auch drin hat. Aber „ob so gut“ weiß ich nicht. Allgemein haben das viele Kameras, aber oft wird das nicht gewusst oder belächelt. Zu Unrecht
Die CMOS-Problematik
Fast jede Kamera hat heute CMOS-Sensoren. Das hat Vorteile, sehr viele sogar, aber ein großer Nachteil ist auch da. CMOS wird (noch) nicht progressiv ausgelesen. Sondern nur Zeile für Zeile.
Für uns hat das nun einen blöden Effekt der bei Fotos nicht so oft durchkommt. Wenn wir die Kamera schnell bewegen oder schnelle Bewegungen filmen, dann ist das womöglich schneller als der Sensor.
Das heißt für uns: bei schnellen Drehungen haben wir nachziehende Linien, das Bild wird kurz „schräg“. Oder der vorbeifahrende Bus ist schief.
Es gibt Möglichkeiten das in der Post zumindest ansatzweise zu beheben; dabei gibt es ein kostenloses Programm (Windows only), und ein sündhaft teures Plugin für noch teurere Software. Ich werde zu gegebener Zeit auf beides eingehen.
Und ich habe den ganzen Text zugebracht ohne es zu benennen: Rolling Shutter (Belichtung „rollt“ von oben nach unten) wird dieses vorgehen und das Problem genannt.
Sensor-Binning
Wie kommen die Daten eines 18mp (oder sogar mehr) Sensors in ein „HD“-Video? Wer denkt, die Kamera nimmt jederzeit die volle Auflösung und skaliert das runter, denkt leider zu optimistisch. Die Wahrheit ist, das Bild wird „gebinned“. Beim Binning werden mehrere Pixel zu einem zusammengefasst. So ergeben etwa ein Zusammenschluss aus 4x4 Pixeln (ich glaube so ist das bei der 5D MKII) einen im Video, und das hat Folgen.
Die Schlimmste: das Bild ist verflucht unscharf. Jedes Bild einer 5D wirkt endlos scharf, aber nur weil so viel unscharf ist. Guckt man sich das nüchtern an ist es aber verflucht unscharf, und eigentlich echt blöde. Die „reale“ Auflösung liegt noch unter 720p, was der Grund dafür ist, dass ich meine meisten Filme in 720p* produziere; durch das Runterskalieren wird das Bild schärfer.
Das hat mit Objektiven dabei auch wenig zu tun – die perfekt fokussierte L-Lens macht kaum ein besseres Bild als mein altes Vivitar Series 1 bei Blende 5,6.
Bei Panasonic ist dieses Problem übrigens lange nicht so schlimm.
Ein anderes ist, dass dadurch an gegebenen Stellen sehr schnell Moiré entsteht; prädestiniert sind Klinkersteinhäuser, gestreifte/karierte Hemden und Kühlergrille von Autos. Wenn es also geht: filmt das nicht.
Selbst bei Sad Lonely Lucas ist es an sehr einfachen Stellen entstanden, wie man in diesem Outtake sehen kann (Crop der Original-Auflösung):
Gut sieht man das in den Haaren und dem Rahmen der Brille. Lustige bunte Applikationen; in Bewegung ist es wesentlich deutlicher. An Häuserwänden wird das schnell zur Farben-Party – also sollte Vorsicht geboten sein, denn selbst in Haaren kann sich das abbilden. Besonders scharfe Objektive sind hier sogar weniger zuträglich, es wird eher schlimmer; innerhalb des Picture-Styles sollte daher auch die Schärfe gesenkt werden (es wird ohnehin nur nach geschärft; ein Wert von 1 oder 2 ist gut).
Auch hier ist das Problem bei Panasonic zumindest nicht so schwer.
* Obacht!
Besitzer einer 7D/60D/550D/600D könnten nun meinen, in 720p zu filmen und dann noch 50p abzusahnen. Leider eine Milchmädchenrechnung. Denn: bei 720p wird das Bild noch mehr gebinned um auf die kleinere Auflösung zu kommen, also sind alle Probleme noch schlimmer. Ich würde, selbst wenn ich Zeitlupe brauche, immer zwei mal überlegen (oder besser: zwei mal drehen), ob ich diesen Modus nehme.
Welche positiven Seiten das haben kann erfahren wir auch wieder später im Post-Teil
ISO in Video
Gerade die 5D MKII-Besitzer lachen immer etwas, wenn ich davon anfange. Aber durchaus ist auch hier Vorsicht geboten!
Durch das Binning wird das ISO-Rauschen generell schlimmer, dazu wirkt es im Bewegtbild immer ganz anders. Wer sich erinnert: die Belichtungszeit können wir um Dunkeln vielleicht nicht weiter senken, also muss die ISO hoch wenn das Beste f1.2er an die Grenze stößt
Nun ist ISO-Rauschen in Videos immer schlimmer als auf Fotos. Bei Fotos gehe ich ohne große Sorgen auf ISO1600 und kann die Fotos (solang ich sie nicht auf ein Plakat drucken muss), bei Video gräme ich mich sogar bei ISO800. Hier fange ich schon an, in der Post zu entrauschen.
Da das Material ohnehin viel rauscht (egal welche ISO – ich sehe so etwas immer...) und das durch andere Picture-Styles schon manchmal verschlimmert, muss man wieder die Frage stellen: welche ISOs darf ich nutzen?
Es gibt da immer den Kampf, was ist natives ISO, und was nicht. Mir ist das egal, ich lebe mit den Fakten. Hier ein interessanter Artikel dazu: click
Die Erkenntnis für mich: nachts (und im Dunkeln) gehe ich auf die 160er, Tagsüber auf volle ISOs. So einfach mach ich mir das. Der Rest wird nicht angefasst.
Gilt für Canon. Alle anderen, sorry, das weiß ich nicht :(
Entrauschen kann man das Material in der Post meist ganz gut (entsprechende Anwendung vorausgesetzt).Die 7D/60D/550D/600D gehen bis 1600 ganz „passabel“, 1250 ganz gut, 800 kein Thema. Bei der 5D MKII verschiebt sich das etwa eine Blende nach oben; da finde ich die 3200 am Rande des erträglichen zum erfolgreichen entrauschen. Kommt auch immer auf den Anspruch an.
Einige vergleichen ISO gern mit Filmkorn; das ist wahr und auch falsch. Generell sollte jedes Material ein wenig rauschen, sonst wirkt es tot. Man darf es nicht „Aalglatt“ machen und so lassen, das ist auch teilweise echt gruselig. Was ich gerne mache: ich mache es „sauber“ und rechne nacher (grobes) Filmkorn rein. Da stehe ich drauf. Aber man kann natürlich auch ein dezentes Rauschen rein machen.
Wichtig für mich ist immer: lieber Korn, als ISO-Rauschen.
Custom-Firmware
Wie ich hörte wurde gestern auch die Panasonic GH2 gehacked – also mal ein modularer Punkt
Ich weiß nur noch nicht was das kann. Update ich sicher mal.
Seit einiger Zeit gibt es für die 5D MKII sowie die 500D/550D/600D/60D (ganz recht, die 7D nicht) eine Customfirmware namens Magic Lantern. Diese ermöglicht diverses, vor allem sehr viel was den Filmer in mir heiß werden lässt
Features die ich nicht mehr missen mag: Focus-Peaking (manuelle Objektive im Fotomodus, ahoi!), Cropmarks, Falschfarben (zur korrekten Lichtsetzung), Waveform/Histogramm, Zebra (zeigt Über- und Unterbelichtung), mehr ISO-Stufen und numerischer Weißabgleich für 500D/550D/600D, One-Click Weißabgleich mit Magenta/Grün Korrektur. Und noch mehr.
Ein wichtiger Punkt ist für viele, dass man die automatische Tonaussteuerung deaktivieren kann. Nun kann man selbst pegeln und so mit externen Mikros überhaupt erst korrekt arbeiten.
Nun, das geht aber auch mit Risiken einher (ich habe noch von keiner beschädigten Kamera gehört, aber man weiß ja nie); es ist eben ein Hack, und damit hebt es die Garantie auf, auch wenn ich nicht sicher bin ob Canon das spitz kriegen würde.
Zu Magic Lantern könnte ich ein Buch schreiben; ich bin nicht nur in der offiziellen Vimeo-Gruppe sehr aktiv, ich fungiere da auch als Moderator und stehe im engeren Kontakt zum Developer der 550D-Version. Hier alles reinschreiben wäre schwer, daher würde ich das, wenn ihr das nicht schon kennt, auf wo anders verschieben.
Ton
Da war was. 60% des Eindrucks eines Films erzeugt die Akustik, sagt man so. Nun, da hat man leider mit diesen Kameras verloren; man kann externe Lösungen kaufen, gute sind nicht direkt günstig und die Qualität immer so mittel. Die 60D kann als einzige Canon nativ den Ton manuell pegeln, der Rest hat Automatiken.
Hier kann ich, weil ich Ton nur extern auf andere Rekorder aufnehme, auch gänzlich wenig zu sagen. Der Kameraton ist brauchbar wenn man die Kamera nicht zu viel anfasst und tolerant ist, einen IS oder ähnliches hört man aber auf der Aufnahme.
Hier hilft mir, wie bei SLL, einfach gute Musik – oder eben ein externes Mikrophon wie das RØDE VideoMic Pro, und selbst hier wird nicht alles von alleine gut.... :/
Das sollte die zweite Lektion gewesen sein. Die Dritte, etwas kürzer, befasst sich mit dem Schritt von der Speicherkarte in die Bearbeitung.


und deswegen kommen wir direkt zum nächsten Punkt:

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