Ergebnis 1 bis 10 von 44

Thema: Nikkor-N Auto 1.4/35mm

Baum-Darstellung

  1. #1
    Förderndes Mitglied Avatar von Helge
    Registriert seit
    12.01.2011
    Ort
    Darmstadt
    Alter
    55
    Beiträge
    2.256
    Bilder
    250
    Danke abgeben
    1.094
    Erhielt 8.477 Danke für 1.092 Beiträge

    Standard Nikkor-N Auto 1.4/35mm

    Wenn ich das richtig sehe, dann ist dieses Objektiv bisher zwar ein oder zweimal in diesem Forum in Vergleichstests zwischen mehreren 35ern beschrieben worden aber es hat keinen eigenen Test-Thread, daher eröffne ich hier einen solchen - das Objektiv hat es durchaus verdient denn es ist innerhalb der Nikon-Familie schon beinahe als legendär zu bezeichnen und wurde bzw. wird seit über vier Jahrzehnten mit der gleichen optischen Rechnung gebaut (bis heute!), was wohl kaum der Fall wäre wenn diese nichts getaugt hätte.

    Mein Exemplar widerspricht ein wenig der ansonsten sehr verlässlichen Einordnung unter diesem Link: http://www.photosynthesis.co.nz/nikon/serialno.html#35 da es die Nummer 368337 trägt und somit in den Zeitraum 1971-1973 fallen sollte, andererseits aber wie die späteren Versionen nur bis f/16 und nicht bis f/22 geht.
    Der Zustand ist äußerlich so wie man es von einem vierzig Jahre geschrubbten Objektiv erwarten muss, mit vielen Lackfehlern, die Linsen sind aber erstaunlich klar und sauber. Allerdings ist eine deutliche Braunfärbung erkennbar, die inzwischen durch längeres Lagern im Licht merklich nachgelassen hat, aber immer noch sichtbar ist. Im Zeitalter des digitalen Weißabgleichs ist das aber glücklicherweise kein ernsthaftes Problem, so dass der Nutzung des Objektivs nichts im Weg steht.



    Die technischen Daten:

    Länge ab Bajonettauflage min. 63 mm
    Filtergewinde 52 mm
    Gewicht 400 g
    9 Linsen in 7 Gruppen
    Floating Element für CRC
    9 Blendenlamellen (spätere Versionen tw. 7 Lamellen)
    Naheinstellgrenze 30 cm
    Blendenstufen 1,4 - 16 in ganzen Schritten

    Die optischen Eigenschaften des Objektivs würde ich mit einem Wort zusammengefasst als gewöhnungsbedürftig bezeichnen, und zwar im wörtlichen Sinne: Das ist kein Objektiv, das man an die Kamera hängt, loszieht und sofort begeistert ist - allerdings auch keines, das einen kalt lässt. Ich würde gerade diese Linse liebend gerne am Vollformatsensor ausprobieren, aber noch habe ich kein passendes Gehäuse (was nicht ist, kann ja noch werden...) so dass ich bisher nur Erfahrungen an der Oly E-3 (also Crop 2) machen konnte. Und die sehen erst mal so aus:

    Bei Offenblende ist das Objektiv schwierig. Man kann damit großartige Bilder machen, aber manchmal kommt auch nur Murks heraus. Das liegt vor allem daran, dass bei f/1,4 erstens die typische Weichheit so lichtstarker Weitwinkel auftritt und zweitens an allen harten Kontrastkanten heftige CAs stören. Interessanterweise lassen beide Phänomene schlagartig nach, wenn auch nur leicht abgeblendet wird. Schon bei f/2 glaubt man ein völlig anderes Objektiv in der Hand zu haben und bei Blende 2,8 sind Schärfe und Mikrokontraste geradezu verblüffend.

    Hier zwei Bilder im Nahbereich, das erste mit f/1,4, das zweite mit f/2, die Vollauflösungen jeweils per Mausklick auf die Bilder verlinkt. Der Unterschied ist frappierend: Buntschillernde Kringel und heftige Überstrahlungen im einen Fall, saubere (9-eckige) Scheibchen und präzise Kanten im anderen Fall. Man betrachte z.B. den linken Rand des rechten Blattes in den vollaufgelösten Versionen...





    Ein ähnliches Bild auch bei weniger krassen Kontrasten und mittlerer Entfernung im folgenden Beispiel mit f/1,4 und f/2,8, auch hier mit verlinkten Vollauflösungen. In den vollaufgelösten Bildern kann man deutlich sehen, dass der Schornstein, auf den fokussiert wurde, schon bei Offenblende zwar scharf ist aber sehr kontrastarm und durch das Überstrahlen verschwommen. Bei f/2,8 dagegen bedient das Objektiv mühelos die extrem hohe Sensorauflösung der E-3: Man muss bedenken, dass hier ein 35mm-Weitwinkel ein Objekt in ca. 6-8 m Entfernung abbildet und dabei selbst Schaubenköpfe und millimeterfeine Lackkratzer noch klar und deutlich abgebildet werden:





    Was das Bokeh betrifft - die ersten beiden Bilder zeigen das ja schon - muss man auf jeden Fall sehr bewusst die Möglichkeiten des Objektivs einsetzen. Spitzlichter im unscharfen Bereich sind bei Offenblende auf jeden Fall zu vermeiden, denn das ergibt ein für meinen Geschmack geradezu fürchterliches Gewirr von schillernden Strukturen und Kringeln wie in diesem Beispiel:



    Andererseits kann man traumhafte Effekte, ein ganz charakteristisches, markantes Hintergrundbild und einen wunderbaren Schärfe-Unschärfe-Verlauf erzielen wenn man solche Situationen vermeidet und keine extremen Kontraste im Spiel sind:






    Die große Stunde des Objektivs schlägt natürlich wenn es um wirkliche Available Light Fotografie geht. In düsteren Innenräumen wie Museen, Ausstellungen und Konzerten ohne grelle Lichter spielt es seine Stärken voll aus und kann mit sehr guter Schärfe schon bei Offenblende überzeugen - da sieht man dann noch mal deutlich, dass es hauptsächlich das Überstrahlen und die CAs sind, die bei Tageslicht den verschwommenen Eindruck bei Offenblende hinterlassen:



    Und dann zum Schluss noch ein Bild, das eher in der Kategorie "Spielerei" einzuordnen ist: Das Nikkor 1,4/35 harmoniert von allen bisher von mir getesteten Objektiven am besten mit dem Tilt-Adapter, den es für Nikkor-AI an µFT-Kameras gibt. Abgeblendet auf f/2 ist es ideal geeignet, um als Tilt-Objektiv "Spielzeuglandschaften" zu fotografieren: Einerseits ist es lichtstark genug um schon knapp außerhalb der Schärfeebene den Hinter- und Vordergrund verschwimmen zu lassen, andererseits im Fokus scharf und knackig genug um einen guten Kontrast dazu zu liefern:




    Mein Kurzfazit: Ein außerordentlich spannendes und fotografisch herausforderndes Objektiv, das bei richtigem Einsatz hervorragende Ergebnisse liefert, bei unpassendem Einsatz dagegen reinen Ausschuss. Im Vergleich dazu ist das moderne Sigma 1,4/30 DC HSM (für Four Thirds) ein fürchterlicher Langweiler, der bei mir kaum mehr zum Einsatz kommt außer wenn ich schon vorher weiß, dass die Situation nicht für das Nikkor geeignet ist. Der einzige Wermutstopfen ist eigentlich, dass diese Qualitäten nicht verborgen geblieben sind und der allgemeine Hype um Lichtstärke auch beim Nikkor 1,4/35 die Preise verdorben hat. Wer ein Exemplar in gutem Zustand unter 300 € findet, kann sich glücklich schätzen...
    Geändert von Helge (28.09.2011 um 08:53 Uhr)

  2. 6 Benutzer sagen "Danke", Helge :


Ähnliche Themen

  1. Nikkor-S Auto 2,8/35mm - Fokusring nachfetten
    Von ralf3 im Forum Tipps zu Pflege, Reparatur/Restauration und Umbau
    Antworten: 29
    Letzter Beitrag: 19.03.2025, 13:38
  2. Porst Weitwinkel 35mm f/2.8 MC auto F vs. Enna München Lithagon 35mm 3.5
    Von CChris im Forum Testberichte und Listen (Altglas)
    Antworten: 10
    Letzter Beitrag: 04.11.2017, 12:01
  3. Nikon Nikkor 1.4/35mm AI
    Von easteregg im Forum Testberichte und Listen (Altglas)
    Antworten: 13
    Letzter Beitrag: 15.05.2014, 19:32
  4. Steinheil Auto-Cassaron 2,8 50mm + Auto-Culmigon 3,5 35mm
    Von optikus64 im Forum "Café Manuell" - Hier wird geplaudert..
    Antworten: 0
    Letzter Beitrag: 09.12.2012, 15:43

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •