Da ich neulich hier ein paar Beispielbilder gezeigt habe, folgt hier die Auflösung, um welches Objektiv sich hier handelt.
Das Riconar 2.2/55mm war ein Standardobjektiv z. B. an der Ricoh CR-5 und KR-5, 1970er Jahre (Bedienungsanleitung CR-5 hier als PDF/engl.)
Spezifikationen
4 Elemente in 4 Gruppen
Anzahl Blendenlamellen: 5
Blendenstufen: 2.2 - 16 in ganzen Blenden
Naheinstellgrenze: 80cm
Anschluss: Pentax-K
Filtergewinde: 52mm
Gewicht: 144 Gramm
Die Endung "-ar" verweist auf eine einfachere, günstigere Variante der sonstigen, als "Rikenon" bezeichnete Objektivreihe. Viel Kunststoff, dennoch ist das Objektiv leichtgängig ohne Spiel. Eine "Besonderheit" ist deshalb wohl auch die rotierende Frontlinse, das gesamte vordere Objektivelement dreht sich beim Fokussieren mit. Gespart hat man auch an Seriennummern, die gibt es nicht.
Als ich vor etwa einem Jahr im Internet die ersten Bilder betrachtete, war ich eher von einem Triplet ausgegangen. Das Riconar wird mit wenigen Ausnahmen negativ bis niederschmetternd bewertet. Die Naheinstellgrenze von 80 cm ist für ein Objektiv der Siebzigerjahre auch rekordverdächtig schlecht, zusammengenommen also ein Objektiv irgendwo zwischen Flohmarkt- und Türstopperqualität, ja vielleicht eines der schlechtesten Objektive überhaupt. Lediglich die Eignung als Weichzeichnerlinse für die Porträtfotografie wird dem Riconar zugestanden. Deshalb habe ich es selbst auch erworben. Die Preise bewegen sich im niedrigen zweistelligen Bereich.
Wenn das hier doch ein sehr ausführliche Vorstellung wird, liegt es daran, dass das Riconar die Paradoxie zweier konträrer Eigenschaften vereint: bei Offenblende im Nahbereich die Qualität eines Weichzeichnerobjektivs mit Fehlern inklusive extremem Koma sowie extremer Unschärfe. Ab Blende 4 ein Vollformatobjektiv mit akzeptablen, bei Blende 8 und 11 sogar guten Abbildungsleistungen. Im Internet gezeigt werden erwartungsgemäß meistens nur Aufnahmen mit Offenblende.
Fotos mit der Sony A7 als RAW-Dateien, aufgrund der guten Wetterverhältnisse während des Tages vorwiegend ISO 100. Import in Lightroom 6, Farbprofil "neutral", unveränderter Export als JPEGs. Montierte Crops in den Bildern sind 1:1-Ausschnitte.
1. Offenblende: Nahbereich vs. Entfernung
Ein Kuriosum des Riconars ist das unterschiedliche Verhalten mit Offenblende bei Einstellung auf Nahbereich und auf unendlich. Das wird bei Macroaufnahmen mit Zwischenring sofort sichtbar, das Verhalten zeigte sich aber auch beim normalen Fokussieren auf nah oder fern stehende Ebenen: Die größte Unschärfe mit Koma und Dreamlens-/Lens Baby-Eigenschaften zeigt sich demnach bei der Naheinstellung 80cm und Blende 2.2.
Hier ein Foto, das ich neulich schon im "Nur mal zeigen"-Thread postete:
Nun zum Kuriosum: die extremen Eigenschaften verbessern sich bereits deutlich und auch bei Offenblende, wenn auf Unendlich fokussiert wird. Selbst bei einer Fokusänderung von Naheinstellung auf 5 Meter ist der Unterschied evident. Bei mflenses hat das jemand mal auseinandergenommen und bemerkt, dass von den 4 Elementen nur eines vor der Irisblende sitzt, eventuell hängt das Verhalten technisch damit zusammen.
Hier ein Beispiel, Fokus auf den Rahmen des Straßenschildes, Offenblende, einmal in Naheinstellung, einmal in Entfernung von ca. 2 Metern:
Noch extremer lässt sich das beim Einsatz im Makrobereich demonstrieren, bei dem der Fokusauszug bei den Vergleichsbildern mit Offenblende nicht so sehr ins Gewicht fällt wie der 16mm-Zwischenring.
Erstaunlich ist eben, dass die Unendlich-Einstellung nicht nur minimale Verbesserungen mit sich bringen. Die Auflösung ist bereits akzeptabel und auch bezüglich Detailzeichnung scheint es sich um ein ganz anderes Objektiv zu handeln.
Auffällig durch den Zwischenring ist hier auch der Effekt, dass sich bei Naheinstellung die Weichzeichnung nicht nur auf das fokussierte Bildobjekt auswirkt, sondern auch das Bokeh egalisiert. Der Hintergrund zeigt kaum noch abgrenzbare Bereiche, eher Flächen mit weichen Übergängen.