Ein weiteres Kino-Projektionsobjektiv möchte ich hier kurz vorstellen: Das Emil Busch Neokino 62.5/120mm, ca. f/2.1:
Die Eckdaten:
Länge: 103mm
Durchmesser: 62.5mm
Gewicht: 490g
Blende: ca. 2.1 (geometrisch bestimmt)
Linsensystem: 4 Linsen in 3 Gruppen
Klassischer Petzval-Aufbau mit verkitteter Frontgruppe und zwei Einzellinsen kameraseitig
Augenscheinlich keine Vergütung
Ein ganz ähnliches Objektiv mit etwas kürzerer Brennweite wurde schon hier vorgestellt: http://www.digicamclub.de/showthread.php?t=21669
Die ersten Eindrücke am KB-Format (Canon 5D MkII, adaptiert über den Samt-Tubus) deuten eher in die Richtung "Effektobjektiv", wie eigentlich auch nicht anders zu erwarten bei einer Petzval-Konstruktion: Massive Bildfeldkrümmung und nur in einem relativ kleinen Bereich in Bildmitte brauchbare Schärfe:
Insofern ähneln die Bilder auf den ersten Blick ein wenig dem 35KP 1.8/120, allerdings ist dieses noch mal lichtstärker, dabei kontrastreicher und im Nahbereich deutlich schärfer. Im Nahbereich ist das Busch Neokino nämlich gar nicht in seinem Element - selbst in Bildmitte verschwimmen die Kontrastkanten in einem Schleier von Überstrahlungen und Koma und lassen keine Schärfe aufkommen - das hier gezeigte Bild ist nicht verwackelt, auch wenn es fast so aussieht:
Im mittleren Entfernungsbereich sieht es dann schon besser aus und die Mittenschärfe ist eigentlich recht ansprechend, allerdings getrübt durch ausgesprochen kontrastarme Abildung, selbst ohne Gegen- oder Seitenlicht:
Und auf größere Entfernung nimmt die Schärfe dann wieder etwas ab, ohne so schwach zu werden wie im Nahbereich:
Noch ein Beispielbild zu metallischen Glanzlichtern - gar nicht mal so übel:
Und zum Schluss noch etwas zum Bokeh: Im mittleren Entfernungsbereich eher unruhig, im Nahbereich recht ansprechend, allerdings mit wie ich finde recht unschönen orangeroten Rändern an Highlights im Hintergrund:
Damit könnte man das Busch Neokino 120 beiseite legen als mäßig interessanten Vertreter der simplen Vierlinser unter den Projektionsobjektiven. Aber es gibt noch eine Besonderheit im Vergleich zu den meisten anderen Kinoobjektiven, die ich bisher in der Hand hatte: Der Tubus ist aus fünf Teilen zusammengesetzt und lässt sich ohne jedes Werkzeug ganz einfach auseinanderschrauben, was nicht nur zur Reinigung angenehm ist, sondern auch dem Spieltrieb einige Möglichkeiten eröffnet. Konkret kann man z.B. innerhalb weniger Sekunden auch unterwegs das Frontelement herausnehmen und umgekehrt wieder einsetzen, und dann passieren kuriose Dinge:
Frontlinse normal:
Frontlinse verkehrt:
Das sieht jetzt erst einmal nicht besonders spektakulär aus - eher wie mit einem Weichzeichnerfilter oder Nivea auf der Linse. Aber im Hintergrund kann man schon erahnen, dass die verschmierten Kontrastkanten interessante Strukturen entwickeln. Und wenn man dann ein wenig mit dem Aufnahmeabstand herumspielt, stellt man fest, dass je nach Distanz ganz extreme und unterschiedliche Swirl- und 3D-Effekte damit erzielt werden können. Ein paar erste Beispiele, in denen der damit verbundene Kontrastabfall per Nachbearbeitung ausgeglichen wurde, möchte ich hier zeigen, auch wenn das keine "Testfotos" im eigentlichen Sinne sind, sondern hier die Zweckentfremdung eines Objektives auf die Spitze getrieben wurde:
Ich hoffe, dass ich jetzt hier keinen Trend einleite, schöne alte Objektive dermaßen zu "quälen" und ihre Linsensysteme durcheinander zu bringen. Aber das Busch Neokino ist dafür wirklich ein idealer Kandidat weil es wie gesagt so simpel und dabei robust aufgebaut ist, dass man es völlig problemlos in wenigen Sekunden modifizieren kann. Und in "Normalzustand" scheint es mir bisher auch nicht so herausragend zu sein, dass man es unter Denkmalschutz stellen müsste.
In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Spielen...