Projektionsobjektive mit dem Namen "Visionar" gibt es sowohl von dem ursprünglichen Hersteller Rathenower Optische Werke als auch nach dessen Eingliederung in Carl Zeiss Jena ab 1966 unter dem neuen Namen wie Sand am Meer in einer schier unüberschaubaren Vielfalt von Brennweiten - einige davon wurden auch hier im DCC schon vorgestellt.
Das "kürzeste" dieser Projektionsobjektive, das ich bisher vor der Kamera hatte und das gleichzeitig den KB-Sensor ausleuchtet, ist das Rathenower Optische Werke Visionar 1.6/65mm.
Zu Aufbau, Gestalt und Abmessungen ist nicht viel zu sagen: Der übliche schwarze Zylinder mit 62,5mm Außendurchmesser und daher über den größeren von Henrys Samt-Fokussierhelicoiden zu adaptieren (s. HIER). Für die Sony A7 musste ich hinten ein wenig wegschleifen, um mit meinem SFT auf unendlich fokussieren zu können. An der Nikon Z6 geht es problemlos auch ohne Modifikation.
Ausführliche Testberichte erübrigen sich aus meiner Sicht für solche Adaptionen, da es sich eher um Spielzeuge als um seriöse fotografische Werkzeuge handelt, aber einen groben Überblick über Möglichkeiten und Limitierungen des Objektivs möchte ich mit einigen Beispielbildern geben (alles KB-Sensor, teils A7s, teils Z6).
Der KB-Sensor wird wie gesagt vollständig ausgeleuchtet, allerdings mit deutlichem Randabfall hinsichtlich Helligkeit und Schärfe:
Die Schärfe in der Mitte ist für ein lichtstarkes Projektionsobjektiv in Ordnung wenngleich natürlich nicht auf dem Niveau vergleichbarer lichtstarker Normalobjektive:
100%-Ausschnitt
Der Schärfeabfall zum Rand hin ist unübersehbar. Er liegt bei dem Visionar nicht (wie z.B bei den Kipronaren) an einer Krümmung der Schärfeebene:
Ein Bild von glänzendem Metall in der prallen Sonne zeigt, dass die Überstrahlungen an harten Kontrastkanten vergleichsweise harmlos sind. Allerdings sind im 100%-Ausschnitt relativ starke Farbsäume vor und hinter der Schärfeebene zu sehen (Längs-CAs):
100%-Ausschnitt
Die Neigung zu Flares im Gegenlicht ist für ein Projektionsobjektiv gering:
Die besten Leistungen zeigt das Objektiv m.E. im mittleren Entfernungsbereich, wo man eine schöne Räumlichkeit erzielen kann - mehr als die Eckdaten vermuten lassen, nicht zuletzt wegen des Randabfalls der Schärfe, der dazu beiträgt, ein Motiv freizustellen:
Der Schärfeverlauf ist relativ gleichmäßig ohne ausgeprägte harte Ränder und Strukturen weder im Vorgrund noch im Hintergrund:
Im Nahbereich wird die Schärfe immer schwächer und im Makrobereich landet man dann irgendwann bei den üblichen unscharfen Blümchen in Bokehsoße, dekorativen farbigen Lichtklecksen und leider auch immer stärker ausgeprägten Farbsäumen in den out-of-focus Bereichen (s. die Blattwanze):
Insgesamt würde ich sagen: Ein vergleichsweise "harmloses" Objektiv, für bestimmte Situationen gut brauchbar, aber ohne extrem ausgeprägte Charaktereigenschaften.