Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 5)
Carl Zeiss Jena Sonnar 2.0/50mm (Contax)
Teil I: Allgemeines
Das Carl Zeiss Jena Sonnar 2.0/50mm wurde 1931 entwickelt und von 1932 bis ca. 1942 mit den Messucherkameras Contax I bis III ausgeliefert.
Anhang 46534
Mein Exemplar des Sonnars ist im Body versenkbar (Standardausführung) und gehört zu einer Contax III von 1940/42, ich habe es mit dem Contax Rangefinder-Fokussieradapter von Henry an der Sony A7 getestet.
Das Sonnar am Fokussieradapter:
Anhang 46535
Alles zusammen am VNEX:
Anhang 46537
Auf Grund des versenkbaren Objektivs kann man das Sonnar auch am normalen VNEX auf unendlich bringen und hat dann noch den Vorteil, einen extrem kurzen Nahbereich unter 20 cm ausnutzen zu können:
Anhang 46538
Spezifikationen
Sonnar-Typ, 6 Elemente in 3 Gruppen, unvergütet
Anzahl Blendenlamellen: 10
Blendenstufen: 1:2 - 1:22 stufenlos
Anschluss: Contax RF
Herkunft: Deutschland
Vermutliches Herstellungsjahr des vorgestellten Modells: 1940/42 (*)
Herstellungszeitraum: 1931 - 1943 (*)
Filtergewinde: 40,5mm
* faktisch endete die Massenfertigung der Objektive im Dresdner Ernemann-Werk mit endgültiger Umstellung auf Kriegsproduktion schon 1941. Kleine Stückzahlen des Contax-Systems waren dann nur noch Parteikadern und hohen Offizieren vorbehalten oder dienten der Devisenbeschaffung durch den Export über Händler in neutralen Staaten wie Schweden oder der Schweiz.
Anhand des Anfangsbuchstaben lässt sich bei den Seriennummern das Produktionsjahr bestimmen (Quelle): Z 1935/6, A 1936, B 1936, C 1936/7, D 1937, E 1937, F 1937/8, G 1938, J 1938/9, K 1939, L 1939, M 1940/42, N 1941/3
Contax, Sonnar, Kiev, Jupiter, Carl Zeiss Jena, Zeiss Opton, aus Jena…
Da der Name Contax und auch diverse Sonnar-Bezeichnungen immer wieder für Verwirrung sorgen, folgt zunächst eine kurze Einführung zur Geschichte und Entwicklung des Contax-Systems.
Als Ursprung des Namens Sonnar wird gelegentlich eine entsprechende Objektivbezeichnung aus dem Jahr 1919 genannt. Urheber waren demnach die "Nettel-Camerawerke" mit Sitz in Sontheim am Neckar, das als Stadtwappen eine Sonne zeigt.
Technischer Urheber des Sonnars ist der Objektivkonstrukteur Ludwig Bertele (1900-1985). Ausgebildet bei Rodenstock, hatte Bertele als junger Angestellter der Ernemann-Werke in Dresden im Jahr 1923, also noch vor dem Zusammenschluss zur Zeiss Ikon AG, aus einem Triplet das lichtstarke Ernostar 2.0/100mm entwickelt, das wiederum zur Grundlage für das Sonnar 2.0/50mm aus dem Jahr 1931 wurde - zu dem Zeitpunkt die lichtstärkste Kleinbild-Optik. 1932 entwickelte Bertele noch die Sonnare 1.5/50mm und 2.0/85mm, 1936 schließlich das "Olympia-Sonnar" 2.8/180mm. Die Contax-Kameras wurden in den Werken der Ernemann-Werke AG in der Schandauer Straße in Dresden hergestellt, das unter Federführung der Carl Zeiss Jena AG seit 1926 zusammen mit ICA AG Dresden, Goerz AG Berlin und Contessa-Nettel AG Stuttgart zur Zeiss Ikon AG mit Sitz in Dresden gehörte.
Contax III mit eingebautem Selen-Belichtungsmesser und dem Sonnar 2.0/50mm:
Anhang 46539
Als sogenannte "Achsenmacht" hatte Japan vom Deutschen Reich schon 1940 die Patentlizenze für den Nachbau der deutschen Objektivkostruktionen erhalten. Nippon Kogaku/Nikon war das ersten Unternehmen, das die Contax inklusive Bajonett und Objektive kopierte.
Mit der Kapitulation waren alle deutschen Patentrechte unwirksam. Jena wurde zunächst von der US-Armee besetzt, die einige Betriebsteile in das Contessa-Werk nach Stuttgart verlegte.
Am 3.03.1948 wurde in einem Hauptversammlungsbeschluss die Verlegung des Sitzes der Zeiss Ikon AG (und damit alle Namensrechte) von Dresden nach Stuttgart beschlossen. Die Carl Zeiss AG startete schon 1946 in Oberkochen, zunächst unter dem Firmennamen Opton Optische Werke Oberkochen GmbH. 1950 brachte die Carl Zeiss AG dann die Messsucherkameras Contax IIa und Contax IIIa heraus, die DDR setzte dagegen auf die schon gegen Ende der Kameraproduktion in Dresden konzipierten Spiegelreflexkameras und baute die Contax S, unter der Bezeichnung "Carl Zeiss Jena" aber auch weiterhin Objektive für die Messsucher-Contax in Oberkochen. Objektive aus dem Westen für die Ost-SLRs wiederum kamen unter der Bezeichnung "Zeiss-Opton" auf den Markt. In der Folge von Rechtstreitigkeiten durften Objektive des "VEB Zeiss Jena"-Werkes später nur noch mit der Bezeichnung "aus Jena" in die Bundesrepublik exportiert werden.
Da Jena und Dresden in der sowjetischen Besatzungszone lag, wurden als Reparationsleistungen die Maschinen, Ersatzteile und einige Fachkräfte der nahezu unversehrt gebliebenen Ernemann-Werke AG aus Dresden und Jena nach Kiew (Ukraine) gebracht, wo die Vorkriegs-Contax als "Kiev-Kameras" und die Zeiss-Optiken als "Jupiter"-Objektive noch bis in die 80er Jahre weitergebaut wurden. Die ersten Contax-Kameras und vor allem viele Jupiter-Objektive wurden aufgrund der großen Zahl an kriegsbedingt liegengebliebenen Gläsern noch bis Mitte/Ende der 50er Jahre mit originalen Zeiss-Gläsern und Contax-Bauteilen produziert.
In den 50er Jahren wurde also an drei Standorten die Contax-Zeiss-Tradition weitergeführt: in Oberkochen, Jena und Kiew. Dazu gab es dann noch die frühen Nikon-Rangefinder mit entsprechenden Sonnar-Kopien und Eigenentwicklungen.
Eine umfassende PDF mit vielen Informationen zur Geschichte des Sonnars ist hier zu finden.
Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 12)
Teil II: Tests / Blendenreihen
Auch wenn ich persönlich derartigen Tests keine finale Aussage zum tatsächlichen fotografischen Nutzen von Objektiven zuschreiben möchte, finde ich es dennoch wichtig, auf diese Weise die grundsätzlichen Potentiale und optischen Grenzen zu zeigen. Nicht vergessen sollte man hier, dass es sich um ein immerhin 85 Jahre altes, unvergütetes Objektiv handelt.
Motiv Mauer. (f/11 verwackelt)
Anhang 46559
Anhang 46563
Anhang 46560
Anhang 46564
Anhang 46566
Anhang 46568
Während bei Offenblende Überstrahlungen und eine "Weichzeichneroptik" im Detail sichtbar sind, nehmen Schärfe und Kontrast bereist bei Blende 2.8 erheblich zu. Die Bildmitte erreicht bereits bei Blende 5.6 die volle Schärfe, die Ecken erst bei Blendenstufen f/11-f/16.
Unendlichkeitseinstellung: Blendenstufen f/2-f/11
Hier habe ich nicht bis f/16 abgeblendet. Eine ausreichende Schärfe bis in die Ecken sollten bei Landschaftsfotografien u.ä. schon bei Blende 8 vorhanden sein, aber spätestens bei Blende 11 sollten keine Schwächen zu sehen sein.
Anhang 46581
Anhang 46583
Anhang 46584
Anhang 46585
Anhang 46586
Anhang 46587
Die Überstrahlungen bei Offenblende zeigen sich in dieser Aufnahmesituation ganz deutlich. Die Steigerung der Kontraste und Schärfe zumindest in der Bildmitte werden hier ebenfalls deutlich. Man muss allerdings festhalten, dass der Wunsch nach Schärfe bis in die Ecken ein Abblenden des Sonnars auf f/16 unumgänglich macht.
Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 1)
Mein Exemplar ist schon vergütet:
Anhang 46616
(Lausiges Bild, ich weiss)
Kann mir jemand sagen, aus welcher Zeit es stammt?
Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 15)
Teil III. "Real Life"-Bilder
Weitaus interessanter als Testreihen finde ich die Versuche, das Beste aus einem Objektiv anhand den eigenen Aufnahmesituationen und -vorlieben herauszufinden. Deshalb folgen jetzt meine Standardmotive aus dem Garten bei Blenden f/2 bis f/4.
Wie immer und wie bei allen bisherigen Fotos: alle RAW-Bilder unverändert und ohne Schärfen aus Lightroom als JPG in höchster Qualität exportiert und in Photoshop auf Webgröße verkleinert.
f/2
Anhang 46597
Detail:
Anhang 46598
Anhang 46601
Bokeh:
Anhang 46602
Detail Überstrahlung:
Anhang 46604
Unbrauchbar ist das Sonnar bei Offenblende nicht. Es hat ein schönes Bokeh und die Überstrahlungen können ja auch gezielt eingesetzt werden, so scheint das seit März leergeputzte Vogelfutter-Baumteil vor dem dunkleren Hintergrund fast zu leuchten.
f/2.8
CAs
Anhang 46605
Detail:
Anhang 46606
Das Sonnar zeigt kaum CAs, sehr gute Leistung, wie ich finde.
Obligatorischer Hundecontent:
Anhang 46607
Detail der Zunge:
Anhang 46608
Mehr als ausreichende Schärfe und guter Kontrast. Das Gesamtbild finde ich sehr gefällig, nicht zu unruhig im "Swirl", bestimmt auch eine schöne Linse für Portraits im APS-C-Modus. Hier sieht man auch, dass Testreihen wie im Teil II ihre Grenzen der Aussagekraft haben (auch wenn sie für eine umfassende Beurteilung dazugehören sollten).
Nahbereich
Anhang 46609
Anhang 46611
Hier zeigt sich, dass das Sonnar nicht nur eine sehr schöne Farbwiedergabe hat, mir gefällt der Unschärfeverlauf in Kombination mit dem Kontrastverhalten sehr gut.
f/4
Kontrastverhalten bei Sonnenlicht
Anhang 46612
Kontrastverhalten im Schatten
Anhang 46613
Auch in Lightroom müsste man zwingend nichts mehr tun, meiner Meinung nach könnten die Fotos derart unverändert stehenbleiben.
Hundecontent II / Schärfe
Anhang 46614
Detail:
Anhang 46615
Das Sonnar zeigt bei Blende 4 bereits eine sehr gute Schärfe.
Mein Fazit: ich finde, dieses alte Zeiss Sonnar zeigt eindrucksvoll, zu welchen Leistungen die optische Industrie bereits vor 85 Jahren fähig war. Das Objektiv ist nucht nur ein Stück Zeitgeschichte, es macht auch Spaß, damit zu fotografieren. Offenblende erzeugt schöne, weiche Effekte, Abblenden auf f/2.8 oder f/4 bringt meiner Meinung nach die schönsten Ergebnisse bezüglich Charakter, Schärfe und Kontrast.
Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 2)
Zitat:
Zitat von
NickB
Es zeigt sich deutlich, das diese Objektive enorm leistungsfähig mit schwarz-weiß Film sind. Dafür sind sie schließlich auch gerechnet worden....
Hallo Nick,
das würde man zwar nicht anders erwarten, das stimmt aber nicht ganz. Ich habe hier ein Exemplar von Heinrich Freytags "Contax-Praxis" von 1938 (mein Exemplar ist ein Nachdruck aus dem Kriegsjahr 1943, als es längst keine Contax-Kameras oder Sonnare mehr zu kaufen gab). In dem Buch wird ausführlich die Farbfotografie mit der Contax beschrieben, mit Kapiteln zum Agfacolor- und Kodachrom-Film.
Als Anhang mal eine Seite zu den Objektiveigenschaften bei Farbfotografie und ein Beispiel der zahlreichen Farbtafeln.
Übrigens wird hier auch kurz auf die unter Vakuum aufgebrachte Vergütung eingegangen, die Mitte der 30er Jahre vom Zeiss-Mitarbeiter Alexander Smakula erfunden und unter der Bezeichnung "T-Belag" als Patent von Zeiss angemeldet wurde. Hier gibt es mehr Infos dazu.
Anhang 46626
Anhang 46627
Grüße
Nils
Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 2)
ich bin so frei und grabe das (über die externe Suchmaschine zum Stichwort "Sonnar" gefundene) Thema mal wieder aus - denn ich bin mit meinen alten Sucher-Contax und dem unvergüteten 2,0er Normal-Sonnar von 1937 auch so richtig auf den Geschmack gekommen - nachdem das Objektiv in bestimmten Lichtsituationen seinen Charme versprüht hat. :yes:
Vielleicht sind da ein paar Analog-Bilder ganz aufschlußreich.:cool:
Dieses Motiv aus dem Hauptbahnhof in Dresden habe ich parallel auch mit einem vergüteten Opton-Biogon 35 mm fotografiert - da sieht es allerdings in den Kontrasten und Tonwerten eher nichtssagend aus. Zu "sauber".
Das unvergütete Sonnar hingegen...
Anhang 153286
(Contax IIa, ohne Filter, Fomapan R100 Diafilm - die Blende müßte entweder ziemlich weit offen oder ganz offen gewesen sein, denn ich habe es aus der freien Hand gemacht)
Dieses Bild ist verunglückt, weil verwackelt, nur die Bewegungsunschärfe der Passanten vorn in der Mitte war natürlich gewollt. Abendliche Freihandaufnahme inmitten von Straßencafés - aber die Hinterlassenschaften des 87 Jahre alten Objektivs in Gestalt der Überstahlungen etc. gefallen mir trotzdem: Warmer Septemberabend im bretonischen Nantes, Frankreich:
Anhang 153287
(Contax IIIa, ohne Filter, Belichtungszeit ca. 1/2 Sekunde, Blende 2, Fomapan R100 Diafilm, Nennempfindlichkeit ISO 100/21°)
Mittlerweile bleibt mein vergütetes 1947er 5-cm-Sonnar meistens zuhause, und statt dessen geht das unvergütete mit auf die Reise :Muscle:.
Zitat:
Zitat von
Tw463
Mein Exemplar ist schon vergütet:
Kann mir jemand sagen, aus welcher Zeit es stammt?
Wenn ich nach der Tabelle im Netz gehe, könnte es von 1939 sein - aber ich bin mir da nicht sicher, ob es wirklich in nennenswertem Maße schon vor 1945 vergütete Objektive im "Zivilbereich" gegeben hat. Geht man allerdings nach diesem Artikel, könnte das aber tatsächlich schon der Fall gewesen sein.
Wenn es doch ein Nachkriegsobjektiv sein sollte (was die Nummer aber eigentlich nicht hergibt), dann stammt es sicherlich aus der ganz frühen Nachkriegszeit.
Michael