Früher oder später wird wohl fast jeder, der sich mit manuellen Objektiven beschäftigt, ein Interesse an Leitz/Leica entwickeln. Bei mir war das erste solche Objektiv das Elmarit-R 2.8/35mm in der neueren Version mit ausziehbarer Streulichtblende, und man muss nur Henrys hervorragenden Testbericht dazu lesen, dann weiß man, dass dieser Einstieg Lust auf mehr macht.
Aber warum gerade das 2.8/24mm? Bei mir ist der Grund schlicht, dass ich bei der Auswertung meiner Urlaubsbilder festgestellt habe, dass ich bei Verwendung meiner AF-Zoomobjektive verblüffend häufig genau diese Brennweite eingestellt habe. Da liegt es ja nahe, mal eine hochwertige Festbrennweite in diesem Bereich zu testen. Allerdings hat das 24mm-Elmarit einen nicht ganz eindeutigen Ruf: Man liest im Netz sowohl Lobeshymnen als auch kritische Berichte, die unterschwellig auch immer wieder nahelegen, dass es sich hier nicht um ein "echtes" Leitz-Objektiv handelt. Tatsache ist wohl, dass die ursprüngliche Rechnung von Minolta stammt. Angeblich wurden die Objektive ursprünglich auch direkt bei Minolta gefertigt. Später sollen dann bestimmte Glassorten nicht mehr erfügbar gewesen sein und die Produktion wurde unter entsprechender Anpassung der Rechnung auf neue Glassorten nach Deutschland verlagert. Ich kann das alles nicht überprüfen, aber auf meinem Exemplar steht jedenfalls "Made in Germany". Was immer das bedeutet...
So sieht das Objektiv ohne und mit zugehörige, recht klobige Streulichtblende aus:
http://www.abload.de/img/elmarit24-12pdcu.jpg
http://www.abload.de/img/elmarit24-296fd3.jpg
Außer der Herkunft gibt es aber noch ein weiteres heikles Thema bei dem 24mm-Elmarit-R: Es kollidiert mit dem Spiegel der Canon 5D MkII. Da die Rücklinsenfassung relativ weit über die Linse hinausragt, war ich aber guter Hoffnung, dass ich - eine gewisse Skrupellosigkeit vorausgesetzt - auch an der 5DII ohne Spiegelproblem auf unendlich kommen könnte. Nun werden sich einige vielleicht mit Schaudern abwenden, dass da jemand anfängt, an Leitz-Objektiven herumzufeilen, aber für mich sind Objektive in erster Linie Gebrauchsgegenstände und wenn alle Leica-R-Objektive nur noch an Leica-R-Kameras verwendet würden, dann würden drei Viertel davon wahrscheinlich in Zukunft in den Vitrinen verstauben.
Also machte mich mich frohgemut ans Feilen und Testen. Immerhin schlug der Spiegel schon bei ca. 1-2 m Entfernungseinstellung an, so dass ich doch einiges Material entfernen musste. Immer langsamer und mit immer mehr Schweiß auf der Stirn tastete ich mich an "unendlich" heran, peinlich darauf achtend, dass die Feile nicht abrutscht und die Rücklinse ruiniert. Am Ende war dann nicht mal mehr ein Millimeter übrig bis der Spiegel auch in Unendlichstellung frei schwingen konnte. Puh!
Und dann stellte ich bei den ersten Testbildern fest, dass der Unendlichpunkt verstellt war und ich diesen erst neu justieren musste. Und entsprechend noch mehr abfeilen... :shocking:
Ich kann diese Aktion jedenfalls nur einigermaßen abgebrühten Bastlern mit ruhiger Hand empfehlen. Aber Ende gut Alles gut, ich habe jetzt ein 24mm Elmarit-R, das ohne Spiegelkolllision sauber bis unendich fokussiert. Und das möchte ich im Folgenden vorstellen.
Die technischen Daten:
Länge ab Auflage min. 45mm
Filtergewinde 62mm
Gewicht 360 g
Naheinstellgrenze 0,3 m
Fokusweg ca. 120°
Blenden 2.8 - 22 in halben Stufen
6 Blendenlamellen
9 Elemente in 7 Gruppen einschließlich Floating Element
Details zum Aufbau und weitere technische Daten HIER
Über die mechanische Qualität muss man bei Leitz eigentlich nicht viele Worte verlieren, so dass ich gleich zu den Bildern und optischen Eigenschaften komme.
Bei den ersten Fotos an einer Testwand habe ich als Vergleich das sehr überzeugende Canon FD 3.5/24-35mm L mitlaufen lassen, um einen Vergleich zu haben. Die Vergleichsbilder kann ich bei Bedarf gerne auch hochladen, aber das Resultat ist mehr als eindeutig: Das Elmarit ist schon bei f/2.8 eindeutig besser als das Canon bei f/3.5 und dieser Vorteil bleibt über den gesamten Blendenbereich erhalten. Das äußert sich sowohl in der Vignettierung als auch in der Randschärfe. Außerdem ist die Verzeichnung beim Elmarit minimal während sie beim Canon im direkten Vergleich deutlich ausgeprägter ist.
f/2.8
http://www.abload.de/img/elmarit24_f28_kgcp0w.jpg
f/2.8, Crop aus der rechten unteren Ecke (nur leicht aufgehellt)
http://www.abload.de/img/elmarit24_f28_rut4o9t.jpg
So eine Leistung habe ich bei einem extremen Weitwinkel bei Offenblende am Rand des KB-Sensors noch nicht gesehen. Das ist meiner Meinung nach herausragend. Und schon beim Abblenden um eine halbe Blende wird das sogar noch besser, vor allem bezüglich der Vignettierung. Spätestens bei f/5.6 muss man dann schon sehr suchen, um noch etwas zu finden was verbesserungsfähig wäre.
f/5.6
http://www.abload.de/img/elmarit24_f56_k2ep3i.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/elmarit24_f56_gm7ofa.jpg
Damit aber genug an Testbildern, kommen wir mal zu "realen" fotografischen Anwendungen. Da wäre erst mal der Nahbereich - sicher nicht das Haupteinsatzgebiet eines 24mm-Weitwinkels, aber wohl nicht zuletzt dank des Floating Elements zeigt das Elmarit hier auch eine starke Schärfeleistung schon bei Offenblende und dazu ein Bokeh, dass sich für ein Weitwinkelobjektiv durchaus sehen lassen kann:
f/4
http://www.abload.de/img/elmarit24_k-869uy5.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/elmarit24_g-86pu7t.jpg
f/2.8
http://www.abload.de/img/elmarit24_k-445u72.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/elmarit24_g-48xufx.jpg
Als nächstes dann die Frage nach Glanzlichtern und Kontrastkanten: Auch da keine Beanstandungen. Nichts zerfließt, keine Farbsäume, nicht einmal bei Offenblende:
f/2.8
http://www.abload.de/img/elmarit24_k-528unw.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/elmarit24_k-528unw.jpg
Auf mittlere Entfernung sieht das so aus:
f/5.6
http://www.abload.de/img/elmarit24_k-6yeumh.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/elmarit24_g-65juhh.jpg
Auch hier gibt es kaum etwas zu meckern. An den extremen Kontrastkanten außerhalb der Bildmitte (Fenster links) sieht man in der Vollauflösung minimale CAs, die sich noch dazu auffallend leicht und spurlos herausrechnen lassen, aber keinerlei Überstrahlungen. Beeindruckend ist der dynamische Bereich den man mit diesem Objektiv an der 5DII einfangen kann.
Dass die Scharfstellung auf unendlich funktioniert, zeigt dieses Bild - ein Blick in der Vollauflösung auf die Randbereiche lohnt sich auch hier:
f/8
http://www.abload.de/img/elmarit24_k-7foupr.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/elmarit24_g-7uyuie.jpg
Und um die Freude vollständig zu machen: Fotos direkt in die Sonne erzeugen keine Blendenflecke und sonstigen Artefakte - eine Eigenschaft, die ich bei (Super-)Weitwinkeln ziemlich wichtig finde:
f/5.6
http://www.abload.de/img/elmarit24_k-1o4uuy.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/elmarit24_g-1y7ugd.jpg
Mein Fazit nach diesen ersten Eindrücken: Wer auch immer diese Optik entwickelt hat, ob Minolta oder Leitz, die Leute haben ihr Geschäft beherrscht. Bis auf leichte CAs an harten Kontrastkanten und eine moderate Vignettierung bei Offenblende, wie man sie wohl bei jedem Objektiv dieser Brennweite findet, leistet sich das Elmarit-R 2.8/24mm keine für mich erkennbaren Schwächen. Auch der direkte Vergleich zu dem wahrlich guten Canon L Weitwinkelzoom lässt nur den Schluss zu, dass die Festbrennweite hier in einer anderen Liga spielt. Vor allem die minimale Verzeichnung bei dieser doch recht extremen Brennweite und die verblüffende Randschärfe überzeugen mich. Wer also gerne in diesem Brennweitenbereich fotografiert und, wie gesagt, ein sehr ruhiges Händchen zum Abschleifen der Rücklinsenfassung mitbringt, der sollte sich auf die Suche nach einem bezahlbaren Exemplar machen. Inwiefern die älteren Exemplare, die angeblich in Fernost gefertigt wurden, auch diese Leistung bringen, müsste allerdings noch geklärt werden.