Das Jupiter-11 zählt hierzulande zu den etwas selteneren russischen Objektiven im Vergleich zu den beliebten und häufig anzutreffenden Standardbrennweiten. Das mag auch daran liegen, dass die meisten Altglassammler eher auf der Suche nach Lichtstärke sind und da hat das Jupiter-11 als 4/135 nunmal nichts besonderes zu bieten. Was dennoch neugierig macht, ist allein schon die für heutige Augen exotische Optik und da die Preise auch so sind, dass man ohne großes Risiko einen Versuch wagen kann, habe ich ein solches Objektiv bei ebay ersteigert. Die Beschreibung versprach einen guten Zustand, aber was dann kam, war schlicht und einfach neuwertig, inclusive Original Front- und Rückdeckel, Köcher und sogar Anleitung:
http://www.abload.de/img/jup11_komplkjv2m.jpg
Solche Überraschungen hat man gern...
Da der Anschluss als M39 beschrieben war, hatte ich das Objektiv eigentlich für die spiegellose Olympus E-P1 vorgesehen. Aber wieder einmal zeigte sich, dass nicht alles was M39-Gewinde hat, automatisch Leica-M39 bedeutet. Leider kenne ich mich mit den ganzen Zorkis etc. nicht so richtig aus aber es gibt da offensichtlich auch SLR-Kameras mit M39-Anschluss und zu einer solchen scheint das Objektiv zu gehören. Auf jeden Fall benötigt man einen ca. 15mm dicken Zwischenring, um am Standard M39-Adapter in Übereinstimmung mit der Skala fokussieren zu können. Damit wird das ohnehin relativ lange Objektiv noch länger an der E-P1 und die Proportionen stimmen gar nicht mehr.
Aber wenn man zu dem Auflagemaß von M39 noch den 15mm-Zwischenring dazuzählt, kommt man bei ca. 44 mmm raus, und das wäre ja nun genau das Canon EF-Auflagemaß. Daher habe ich mir mal einen dünnen M39/EF-Adapter kommen lassen (eigentlich nur für Makros gedacht) und das Objektiv testweise an die 5D MkII gehängt. Das Erscheinungsbild dieser Kombination ist, na sagen wir mal gewöhnungsbedürftig. Eigentlich ein kompletter Stilbruch aber irgendwie hat es was und zumindest neugierige Blicke sind einem sicher wenn man damit unterwegs ist:
http://www.abload.de/img/5d_jup11jb3wr.jpg
Auf unendlich kommt man mit dieser simplen Adapterlösung noch nicht ganz sondern nur etwa bis 10 m Entfernung (zumindest bei Offenblende). Der restliche Millimeter, der fehlt, sollte sich aber bei Bedarf relativ problemlos an Objektiv und Adapter rausholen lassen. Trotz dieser Einschränkung der fehlenden Fokussierung auf unendlich möchte ich schon mal ein paar Testbilder vorstellen, und gleichzeitig um Beratung bitten, denn so recht weiß ich noch nicht, was ich damit anfangen soll.
Erst einmal die Frage: Wie sieht es mit der Schärfe aus.
Kleiner Pirat, Offenblende:
http://www.abload.de/img/jupiter11-14d2v3.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/jupiter11_g-1iq5tu.jpg
Und für diejenigen mit langsamem Internetanschluss, die nicht die Vollauflösung runterladen wollen hier noch ein 100 %-Crop aus diesem Bild:
http://www.abload.de/img/jupiter11_cropvyz2c.jpg
Bei der Schärfe gibt es also schon mal nichts zu meckern würde ich sagen. Im Gegenteil, das ist für ein Objektiv von 1969 wohl mehr als beachtlich. Da zeigt sich wieder einmal, dass die "lichtschwachen" Objektive durchaus auch mal einen näheren Blick wert sind, denn häufig sind sie eben doch den lichtstärkeren Kollegen bei gleicher Blende optisch überlegen. Und wenn ich sehe welche ISO-Zahlen mit modernen KB-Sensoren noch gute Ergebnisse liefern, dann hat so etwas wie ein 4/135 durchaus seine Berechtigung.
Hier jetzt einige Bilder, die sich eher mit der Unschärfe und dem Freistellpotential beschäftigen. Man sieht auch da ganz gut, dass bei einer solchen relativ langen Brennweite gar nicht mehr so eine große Blendenöffnung erforderlich ist, um Motive freizustellen und ein ansprechendes Bokeh zu erzeugen (alles bei Offenblende).
http://www.abload.de/img/jupiter11-3784x1.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/jupiter11_g-3t21fb.jpg
http://www.abload.de/img/jupiter11-4igwul.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/jupiter11_g-4lb2ml.jpg
http://www.abload.de/img/jupiter11-6rs6pe.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/jupiter11_g-6mbw8b.jpg
Abbildungsfehler wie CAs oder Farbsäume an Glanzlichtern habe ich bisher nicht entdecken können. Die ganz harten Tests waren wohl auch noch nicht dabei bei den Bildern, die ich bisher gemacht habe, aber zumindest Zweige gegen den Himmel und glänzendes Metall werden sauber und ohne Probleme abgebildet (ebenfalls Offenblende):
http://www.abload.de/img/jupiter11-73ha2i.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/jupiter11_g-7vrxfo.jpg
http://www.abload.de/img/jupiter11-5963tp.jpg
Link zur hohen Auflösung: http://www.abload.de/img/jupiter11_g-55y5zh.jpg
Alles in allem leistet das Objektiv am KB-Sensor wesentlich mehr als ich ihm zugetraut hätte. Das ist nach dem ersten Eindruck mehr als nur eine exotische Kuriosität sondern ein seriös nutzbares Objektiv mit hervorragenden Eigenschaften. Insofern stellt sich für mich jetzt die Frage was ich damit mache, denn es gibt mindestens drei realistische Möglichkeiten:
- Ich versuche, den fehlenden Millimeter noch irgendwie rauszuholen. Da der Fokusgang aber komplette 360° beträgt, vermute ich, dass sich das nicht über eine Justierung des Anschlags machen lässt sondern Schleifen am Objektiv erfordert. Das sollte zwar machbar sein, und damit hätte ich dann ein voll nutzbares 135er für die 5D aber der perfekte Originalzustand wäre natürlich dahin.
- Ich verkaufe das Objektiv wieder, am besten an einen Sammler, der ein solches Stück in diesem Zustand sicher gerne in seine Vitrine stellt.
- Ich verändere es nicht und nutze es nur an der spiegellosen Kamera und an der 5D bis 10 Meter.
Was würdet ihr damit tun?