Bildgestaltung - Philosophie der Fotografie
Hallo!
Ich habe gerade einige Bücher in Arbeit, die sich mit dem Thema Bildgestaltung auseinandersetzen.
Hier geht es recht philosophisch zu.
Einige besonders interessante Aspekte:
"Eine wichtige Regel für gute Fotografie ist, dass Sie das aufnehmen, was sie sehen, und nicht das, was sie meinen zu sehen."
"Der Unterschied zwischen Knipsen und Fotografieren ist entscheidend."
"Ein Foto zeigt nie das, was sie zum Zeitpunkt der Aufnahme gesehen haben. Gute Fotografie ist die geplante visuelle Lüge."
"Ein guter Fotograf braucht eine große Vorstellungskraft. Ein Maler benötigt weniger davon, da er Dinge erfinden kann."
Letztendlich geht es darum, zu vereinfachen. Mit Freistellen oder Bildgeometrie soll das Bild nicht zur Überladenheit tendieren. Ein gutes Foto lenkt den Blick auf die Kernaussage.
Beispiel:
Ein Osterbaum steht gerade vor mir. Wenn ich Ihn nun fotografieren müsste, dann würde ich ein 1,4/55mm nehmen, das schönste Ei freistellen und den Rest im Bokeh verschwimmen lassen.
Früher hätte ich alles scharf abgebildet (geknipst).
mfg Peter
AW: Bildgestaltung - Philosophie der Fotografie
Zitat:
Zitat von
Padiej
.....
Beispiel:
Ein Osterbaum steht gerade vor mir. Wenn ich Ihn nun fotografieren müsste, dann würde ich ein 1,4/55mm nehmen, das schönste Ei freistellen und den Rest im Bokeh verschwimmen lassen.
Früher hätte ich alles scharf abgebildet (geknipst).
mfg Peter
Hallo Peter,
das ist sicherlich eine Definitions- und Verständnisfrage...
unter spielerischen und "künstlerischen" Aspekten ist es sicherlich schön einen Weihnachtsbaum so aufzunehmen, das eine Weihnachtskugel im Lichterglanz erstrahlt und die Umgebung sanft "zufließt".
Aber dann, wenn es darum geht, das unter eben jenem Weihnachtsbaum das mit großen Augen liegenden Baby (Neugeboren) nabzulichten, das gebannt auf die Lichterspiele sieht, kommst Du mit der ersten Vorstellung nicht weit.
Es ist immer eine Frage der Bildaussage, also was ist wichtig und was kann dies am Besten herausarbeiten.
Reportagefotografie z.B. ist in erster Linie gesehene Dinge festhalten.
Hier gilt der Grundsatz der Naturalistischen Wiedergabe. Alles soll so erscheinen, wie es das Auge des Betrachters gesehen hat.
Auch im Umgang mit alten Menschen wirst Du bereits erfahren habe, das ein in der Unschärfe verschwindender Weihnachtsbaum "Kopfschütteln" und mitleidige Blicke hervorruft und Mutter sagt " dem Jungen müssen wir mal eine ordentliche Kamera zu Geburtstag schenken, die Bilder sind ja nichtmal scharf"...
Soll eigentlich nur heißen, das Fragen der Bildgestaltung auch immer abhängig vom beabsichtigten Zweck und der Zielgruppe sind, für die das Foto gemacht wird.
Der Grafiker wird sicherlich über gekonnte Linienführung in einer Schwarz-Weiß Fotografie erfreut sein und Stilelemente wie partielle Unschärfe zu würdigen wissen und dem Fotografen Lob aussprechen..
Insofern schwankt das alles immer in den Augen des Betrachters und dem vom Fotografen beabsichtigten Zweck.. Also eine Zielgruppenfrage und insbesondere bei Auftragsarbeiten im Dokumentarbereich nicht erwünscht. Oder machst Du auch Freisteller von Deinen Baukränen? :lolaway:
Für mich war es immer die wichtigste und lehrreichste Übung, mir Bilder im Hinblick auf Schnitte anzusehen und daraus zu lernen, wie ich gleich bei der Aufnahme den korrekten Schnitt mache.
Dazu gehört unbedingt, bei Portraits die Seite des Bildes im Schnitt zu verlängern, in welche die Augen schauen z.B.
Und da gibt es unheimlich viel "Lernpotential", gerade bei Schnitten. Da ist dann später der Sprung zu guten Direktaufnahmen nicht mehr weit, wenn man erstmal weiß, welche Details möchte ich wie abbilden..
LG
Henry
AW: Bildgestaltung - Philosophie der Fotografie
Es kommt immer darauf an, warum man fotografiert. Manchmal ist es eben erwünscht, einen großen Schärfetiefebereich zu haben, manchmal nicht.
Die Kunst ist es, zu wissen, was sinnvoll ist und die Kenntnis zu haben, dies auch umzusetzen.
Zitat:
Zitat von
Padiej
Ich habe gerade einige Bücher in Arbeit, die sich mit dem Thema Bildgestaltung auseinandersetzen.
Das finde ich toll. Ich lerne auch am liebsten von den Meistern.
Zitat:
Zitat von
Padiej
"Ein Foto zeigt nie das, was sie zum Zeitpunkt der Aufnahme gesehen haben. Gute Fotografie ist die geplante visuelle Lüge."
Dies ist mein Lieblingszitat aus deiner Auswahl. ;)
AW: Bildgestaltung - Philosophie der Fotografie
Henry: "Oder machst Du auch Freisteller von Deinen Baukränen?"
- habe noch kein Objektiv dafür :donk - dass kann sich nur ein Scheich leisten
"Und da gibt es unheimlich viel "Lernpotential", gerade bei Schnitten. Da ist dann später der Sprung zu guten Direktaufnahmen nicht mehr weit, wenn man erstmal weiß, welche Details möchte ich wie abbilden.. "
das ist der springende Punkt - man muss erst erkennen, wie man ein Motiv in das Bild bettet.
Nehmen wie ein Rennauto - man soll unbedingt Platz davor lassen - es nicht in den Rand crashen lassen (Flugzeuge ebenso) -
Stürzende Linien bei Gebäuden - entweder mit EBV oder man kann die Position ändern, dass eine horizontale Ausrichtung der Kamera möglich ist.
Meine Frage an alle:
warum soll man nicht mittig positionieren?
Eine Antwort habe ich gefunden:
Das Auge (Hirn) will nicht von oben nach unten scannen, eher von unten nach oben. Bilder sollten eine Basis haben.
Aber warum nicht mittig ?
Was bringt der goldene Schnitt?
mfg Peter
AW: Bildgestaltung - Philosophie der Fotografie
Hallo Carsten!
Die visuelle Lüge:
ich sehe die in der Freistellerei, im Wegschneiden störender Elemente - die Realität, die wir mit unserer Augenbrennweite sehen, ist ja anders, wir sehen ja viel mehr, aber wir können unsere Aufmerksamkeit auf einen Punkt fokussieren, den bringt man dann ins Foto
oder meinst Du etwas anderes?
AW: Bildgestaltung - Philosophie der Fotografie
Wo sieht man hin?
Man hat ein Bild vor sich - was machen die Augen?
"Experimente haben gezeigt, dass wir die meiste Zeit für Bildteile aufwenden, die viele Details, Kontraste und Krümmungen besitzen.
Der Betrachter könnte sich für völlig andere Aspekte interessieren, als der Fotograf beabsichtigt. "
AW: Bildgestaltung - Philosophie der Fotografie
Zitat:
Zitat von
Padiej
Hallo Carsten!
Die visuelle Lüge:
ich sehe die in der Freistellerei, im Wegschneiden störender Elemente - die Realität, die wir mit unserer Augenbrennweite sehen, ist ja anders, wir sehen ja viel mehr, aber wir können unsere Aufmerksamkeit auf einen Punkt fokussieren, den bringt man dann ins Foto
oder meinst Du etwas anderes?
Ja. Ein Könner zeigt das, was er zeigen will, nicht (nur) das, was zu sehen war. ;)
Und dies gilt sogar für Dokumentations- und Reprtagefotografie. Jedes Foto nimmt Einfluss auf die gezeigte Realität. Da findet man eine erstaunliche Parallele zum Messen in der Physik: sobald man misst, beeinflusst man das, was man misst.
AW: Bildgestaltung - Philosophie der Fotografie
Fotografie reinsten Wassers gibt es aber nicht,es wird immer manipuliert werden und oft genug muß man ja auch,will man seine Intentionen anderen vermitteln.Und darum geht es ja wohl im Endeffekt,um unser Publikum (Betrachter).Ob das immer oder jedem gelingt ist eine andere Frage.Für mich gibt es drei Dinge die in einem gutem Bild enthalten sein sollten:Emotionen,Informationen und Ästhetik.Oder wenigstens eines davon um von dem Bild angeregt zu werden,länger als eine Erkennungssekunde damit zu beschäftigen.
Gruß Jörg
AW: Bildgestaltung - Philosophie der Fotografie
Mir fällt gerade eine Szene in Kopenhagen ein. Mehrere Busladungen Touristen belagern die kleine Meerjungfrau und posieren und fotografieren... Auf meinen Bilder ist nur die Meerjungfrau zu sehen, keine Touristen. Der Vorteil des Tele. :)
Genau andersrum... Dune de Pyla, Atlantikküste, ein Sonnenuntergang. Die Düne oben wimmelt mit Leuten, die den Sonnenuntergang fotografieren. Ich gehe ein Stück Richtung Sonnenuntergang die Düne runter, drehe mich um und halte in Richtung Urlauber drauf, vorher noch mit beiden Armen quasi auffordernd, näher zusammenzurücken. Hat natürlich keiner gemacht, aber ich hatte die Lacher auf meiner Seite.
Was ich damit sagen will, allein schon das Weglassen von Informationen auf Bildern kann einen ganz anderen Eindruck vermitteln, als es in der Realität war.
AW: Bildgestaltung - Philosophie der Fotografie
Warum nicht mittig?
Dafür gibt es ein Sprichwort: Symetrie ist die Schönheit der *****en.
Ist zwar heftig, aber guck Dir Barock und dann Jugendstil an - krasser Unterschied.
(Das heißt natürlich nicht, das alles, was symetrisch ist, nicht schön ist - das würde ja quasi bedeuten das Romanik und Gotik häßlich wäre. Aber schau Dir mal die Fenstereinteilung eines äußerlich symetrischen gotischen Fensters an..., nuja, den "goldenen Schnitt" gibts schon ziemlich lange... :)
(Der Witz ist, ich kenne Euch durch das Forum schon viel besser, als Ihr mich,
was irgendwie auch doof ist. Aber: Sehr geiles Forum!)
Der Karsten