Solides lichtstarkes Altglas!
Die meisten Amateur-Fotografen möchten natürlich heute aus verständlichen Gründen, ein möglichst kompaktes ALL-IN-ON Zoomobjektiv haben. Wenn möglich, mit einem ausgeprägten Brennweitenbereich von 28 - 300mm, damit auch das gebräuchliche Fotospektrum abgedeckt werden kann. Die optischen Qualitäten der angebotenen Zoomobjektive kann man durchweg schon als recht gut bewerten. Der Autofokus-Antrieb ist schnell und leise und die relativen Lichtstärken-Angaben bewegen sich zwischen 2,8 - 4,5 - 5,6, in einem oft durch ein Bildstabilisierungs-System unterstützter elektronischer Fototechnik, eingebaut im jeweiligen AF-Objektiv, oder aber auch universell im Kameragehäuse vorhanden. In diesem Brennweiten-Bereich ist natürlich bereits auch schon die 135mm Brennweite enthalten, die optisch sehr günstig im Mittelfeld dieser Zoom-Brennweiten liegt. Fast keine Verzeichnung und Randabfall ist an den Bildrändern sichtbar und die Bildschärfe ist auch akzeptabel. Die bestehende Lichtstärke von ca. 4,5 passt dann aber nicht mehr so ganz in den lichtstarken Bereich. Die Naheinstellung liegt zumeist bei 1m bis 1,5 m. Das Ganze ist eventuell nicht ganz so kompakt, aber was will man eigentlich mehr!
Warum braucht man dann überhaupt noch ein Objektiv mit einer Festbrennweite von 135mm?
Die kompakten 135mm Festbrennweiten, überwiegend mit 4-5 Linsen, weisen durchweg hervorragende Abbildungsleistungen, eine sehr gute Schärfe, hohe Kontrastleistung und eine sehr gute Bildfeldausleuchtung auf und das bereits schon bei offener Blendenöffnung. Mit einer 3x so großen Brennweite, wie die Diagonale des Kleinbildformats, ist das kompakte 135mm Objektiv vielleicht die am meisten benötigte kleine Tele-Brennweite. Die Lichtstärken dieser kompakten Festbrennweiten bewegen sich normalerweise in einer maximalen Öffnung von Blende 3,5 - 2,8. Die max. Naheinstellungen liegen zwischen ca. 1 m bis 1,6 m. Diese handlichen Festbrennweiten gibt es sowohl als manuelle und zeitgemäß, etwas voluminöser, als moderne AF-Objektive.
In der Mitte der 70er Jahre, hatten wohl einige japanische Objektiv-Hersteller den brennenden Ehrgeiz, besonders lichtstarke 135mm Teleobjektive auf den Markt zu bringen. Die Firma KINO PRECISION INDUSTRIES Ltd. (später KIRON) hatte für das amerikanische Vertriebsunternehmen VIVITAR, dass nachstehende extrem lichtstarke 1,5/135mm Objektiv entwickelt, dass aber angeblich nur 30x gebaut wurde. In der Hoch-Zeit der manuellen Fotomechanik und mit dem Aufkommen der Autofokustechnik, wurden die mechanisch sehr robusten, aber auch schweren Objektive von KINO PRECISION immer weniger gefragt. Da zahlreiche für den Bau der Autofokus-Objektive benötigten Techniken und Verfahren von ihren Entwicklern patentrechtlich geschützt waren, konnten die neuen Objektive nur unter Lizenz, oder aufgrund eigener Umgehungsentwicklungen (wie von SIGMA realisiert) gebaut werden. Offensichtlich, hatte sich KINO PRECISION INDUSTRIES Ltd. im Jahr 1987 dann entschlossen, die eigene Objektivfertigung einzustellen.
Der renommierte japanische Kamera- und Objektivhersteller SIGMA hatte im Jahr 1974, ein relativ kompaktes, lichtstarkes 1,8/135mm Teleobjektiv auf den Markt gebracht, dass es u.a. mit M42 und anderen Festanschlüssen für die wichtigsten japanischen Kameramarken und unter den verschiedensten Vertriebsnamen verbreitet wurde. Vertriebsnamen wie Spiratone, Raynox, Porlaris, Soligor, Samigon, Accura etc., sind nur einige Namen, unter denen dieses lichtstarke Teleobjektiv, z.B. in den U.S.A. vermarktet wurde. Bei uns ist es mir nur unter dem Namen PORST und SOLIGOR bekannt geworden.
Weiterhin, wurde für diese besagte Objektiv-Konstruktion, ein YS-Adapter-System, ähnlich dem TAMRON-Adaptall-System entwickelt, dass angeblich nach dem SIGMA Gründer Michihiro Yamaki, Y= Yamaki S= Sigma benannt wurde. Dadurch brauchte man für das Objektiv jeweils nur den entsprechenden, universellen YS-Adapter für sein Kamera-System erwerben. Mein Objektiv, in einer sogenannten SCALEMATIC-Version, ist mit einem Contax/Yashica-YS-Adapter ausgestattet. Auf der hilfreichen Skala kann man je nach Entfernungseinstellung, den Bildausschnitt schon vorab einfach und elegant ablesen. Ein sehr effektive und praktische Angelegenheit.
Das SIGMATEL YS 1,8/135mm Scalematic Teleobjektiv habe ich vor einigen Jahren in einem Fotogeschäft recht preisgünstig und neuwertig, aus einer Gebrauchtwaren-Vitrine befreit. Ich muss aber kleinlaut gestehen, dass ich es aus den o.g. Gründen, auch noch nicht so sehr häufig benutzt habe. Das Objektiv hat für einige Zeit in meinem Fotoschrank leider ungenutzt vor sich hin geschlummert. Ich habe es mir jetzt aber vorgenommen, diesen Zustand zukünftig zu ändern!
Das man die doch recht große Frontlinse von d77mm grundsätzlich mit einer effektiven Tele-Streulichtblende schützen sollte, versteht sich fast von selbst. Für den technisch interessierten Fotografen, habe ich nachstehend das Linsenschnittbild dieses 5-linsigen SONNAR-Typs aufgezeichnet. An sich ist eine hohe Lichtstärke soweit heute schon nichts mehr besonderes, bieten doch fast alle renommierten Kamera- und Objektivhersteller eine 135er Festbrennweite mit hoher Öffnung von Blende 1,8 - 2,0 in hervorragender optischer Qualität an. An die Spitze aktueller optischer Entwicklungen, möchte ich derzeit das brandaktuelle Zeiss Apo-Sonnar 2,0/135mm ZE/ZF.2 und auch das AF-Sonnar T* 1,8/135mm ZA für die SONY DSLR's, speziell für den anspruchsvollen Fotografen stellen. In diesen lichtstarken 135er Spitzenobjektiven, steckt ein ganz erheblicher optischer Aufwand, hinsichtlich der Glassporten, Anzahl der Linsen und internen Bewegungen, um die optische Leistung auch im Nahbreich bis 0,72m (!) voll zu erhalten.
Die extrem lichtstarken 135er Teleobjektive älterer Bauart, dürften da optisch vielleicht nicht mehr so ganz mithalten können. Aber, der Fortschritt gerade bei optischen Rechnungen, ist ja bekanntlich auch eine Schnecke! Der ursprüngliche SONNAR-Typ mit relativ wenigen Glas-Luft-Flächen, wurde von Dr. -Ludwig Bertele bei Carl Zeiss bereits schon im Jahr 1930 entwickelt und stetig durch neue Glassorten und Vergütung weiter verbessert.
Auf der anderen Seite ist eine Knackschärfe, z.B. bei Portrait-Aufnahmen auch nicht immer so sehr erwünscht. Dafür ist die relativ handlich 135er Festbrennweite, im Außen- und Innenbereichen besonders gut geeignet. Auch in der Landschaftsfotografie, oder bei Tier- und Pflanzenaufnahmen, bzw. auch für Gruppenaufnahmen, oder in einiger Distanz, wird man immer auf Motive stoßen, die sich mit dem 135er Teleobjektiv besonders gut eignen. Mit ihm können etwas weiter entfernte Objektive näher heran geholt werden, ohne das sich eine flache Perspektive ergibt. Zusammengefasst, ist das 135er eine universelle kompakte handliche Tele-Festbrennweite, die durch die Zoomobjektiv-Entwicklungen unberechtigterweise leider etwas in den Hintergrund gerückt ist.
Wenn es aber darum geht ein Motiv freizustellen, dann geht natürlich keine Weg an einer lichtstarken Telebrennweite vorbei. Das funktioniert mit den zumeist lichtschwächeren Zoomobjektiven nicht so sehr gut, auch weil sich die relativ hohe Lichtstärke von Blende 2,8 bei den preiswerteren Zooms, sich oft auch nur auf die Anfangsbrennweite bezieht. Bei den schwereren und teuren Zoomobjektiven mit einer durchgehenden Blendenöffnung von 2,8, ist die Freistellung des Motivs auch nur bedingt möglich. Sicher, könnte man heute durchaus auch lichtstärkere Zoomobjektive bauen, die könnte man aber durch ihr Gewicht und Größe nicht mehr tragen, beziehungsweise bezahlen!
Vor einigen Jahren, wollte ich mein SIGMATEL YS 1,8/135mm von der SIGMA Deutschland Vertretung überprüfen und reinigen lassen. Das wurde von der Reparaturabteilung bei SIGMA leider abgelehnt, weil man bei einer eventuellen Beschädigung des Objektivs, angeblich keine Ersatzteile mehr dafür vorrätig hätte.
Die Fa. WIESE-Fototechnik in Hamburg, hat mir dann das Objektiv vollständig überprüft und den C/Y YS-Anschluß entsprechend so mechanisch abgeändert, dass ich das Objektiv neben meinen Contax SLR's, mit einem C/Y-Canon EOS Adapter, auch an meiner Canon 5DMkII einsetzen kann. Dem Objektiv wurde vom Servicetechniker der Firma Wiese, eine sehr gute und solide und präzise mechanische Ausführung bestätigt.
Ich kann hiermit auch bestätigen, dass dieses lichtstarke SIGMA Teleobjektiv, absolut nicht zu den schlechtesten seiner Art gehört.
Ich kann jetzt mit dem SIGMATEL YS Scalematic 1,8/135mm elegant und wechselseitig fotografieren, Analog und Digital. Was will man eigentlich noch mehr!
Die lange Aufbewahrung des Objektivs im Fotoschrank, hat sich für mich letztendlich doch schon sehr gelohnt!
VG
PS: Für die nachstehenden Aufnahmen hatte ich leider keine Zeit die Dateien im PC zu suchen, deshalb habe ich sie auf die Schnelle vom Papier abfotografiert!